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Der sogenannte "Korneuburger Eid"#

Korneuburg, 18. M1i 1930
Hauptplatz
Nach der Zerschlagung der Macht der Arbeiterschaft ab dem 15. Juli 1927 drohte der Heimwehr der „Feind" abhanden zu kommen. Immer wieder gab es Richtungssstreitigkeiten. Dies führte zu dem Versuch, die austrofaschistischen Wehrverbände auf ein einheitliches „Positivprogramm" einzuschwören. Korneuburg Anlässlich einer Versammlung des Heimatschutzverbandes Niederösterreich am 18. Mai 1930 wollte die radikal antidemokratisch eingestellte Führung der Heimwehren den Exponenten der Christlichsozialen Partei, den niederösterreichischen Landesführer Ing. Julius Raab, zwingen, sich entweder der Partei oder der Heimwehr zu unterstellen. Einen Tumult unter den 800 anwesenden Unterführern ausnützend, fragte der Bundesführer, der 1940 im KZ Buchenwald umgekommene Tiroler Rechtsanwalt Richard Steidle, die Anwesenden, ob sie wie bisher „nichts als Antreiber der Parteien" sein oder sich, „um ein Schlagwort zu gebrauchen, für das faschistische System" erklären wollten.

Statt eine Antwort abzuwarten, ließ Steidle das Hornsignal „Habt acht!" blasen, zog einen Zettel aus der Tasche und verlas in lautloser Stille das als „Korneuburger Eid" bekanntgewordene „Gelöbnis über Richtung und Gesetz der Heimwehren". Der Text stammte aus der Feder von Walter Heinrich.


Der offizielle Text lautet:

  • Wir wollen Österreich von Grund auf erneuern! Wir wollen den Volksstaat der Heimatwehren.
  • Wir fordern von jedem Kameraden: den unverzagten Glauben ans Vaterland, den rastlosen Eifer der Mitarbeit und die leidenschaftliche Liebe zur Heimat.
  • Wir wollen nach der Macht im Staate greifen und zum Wohle des gesamten Volkes Staat und Wirtschaft neu ordnen.
  • Wir müssen eigenen Vorteil vergessen, müssen alle Bindungen und Forderungen der Parteien unserem Kampfziel unbedingt unterordnen, da wir der Gemeinschaft des deutschen Volkes dienen wollen! Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat!
  • Wir wollen an seine Stelle die Selbstverwaltung der Stände setzen und eine starke Staatsführung, die nicht aus Parteienvertretern, sondern aus den fuhrenden Personen der großen Stände und aus den fähigsten und den bewährtesten Männern unserer Volksbewegung gebildet wird.
  • Wir kämpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassenkampf und die liberal-kapitalistische Wirtschaftsgestaltung.
  • Wir wollen auf berufsständischer Grundlage die Selbstverwaltung der Wirtschaft verwirklichen.
  • Wir werden den Klassenkampf überwinden, die soziale Würde und Gerechtigkeit herstellen.
  • Wir wollen durch eine bodenstarke und gemeinnützige Wirtschaft den Wohlstand unseres Volkes heben. Der Staat ist die Verkörperung des Volksganzen, seine Macht und Führung wacht darüber, dass die Stände in die Notwendigkeiten der Volksgemeinschaft eingeordnet bleiben.

Jeder Kamerad fühle und bekenne sich als Träger der neuen deutschen Staatsgesinnung; er sei bereit, Gut und Blut einzusetzen, er erkenne die drei Gewalten: den Gottesglauben, seinen eigenen harten Willen, das Wort seiner Führer!

Alle Delegierten mit Ausnahme des niederösterreichischen Gewerkschafters und Bundesrates Josef Dengler erklärten unter stürmischem Beifall ihr Einverständnis. Danach wurde die dreistündige Sitzung mit dem Deutschlandlied (!) geschlossen.

Abgesehen von der eindeutig anschlussfreudigen Atmosphäre: wer annimmt, diesen Text habe man nun eben beschworen und damit punktum, der irrt sich gewaltig. Der Richtungsstreit zwischen den eher demokratischen Vertretern der „Donaugebiete" und den radikaleren Vertretern der „Alpengebiete" wurde mit dem „Korneuburger Eid" nicht beendet, ja es ist fraglich, ob dieser überhaupt ernst genommen wurde.

Obwohl Julius Raab mit Inhalt und Intention des Gelöbnisses nicht einverstanden war, legte er unter dem Druck der Stimmung im Saal in die Hand des ersten Bundesführers den Eid ab. Später distanzierte er sich vom Kernpunkt des Korneuburger Programms, der Absage an den „demokratischen Parteienstaat".

Ein weiteres Detail: Angeblich konnte Steidle nach der Versammlung den Zettel nicht mehr finden und musste mit den ihn bedrängenden Journalisten den Text rekonstruieren. Im Anschluss an die Tagung ging man ins Restaurant Meißl & Schadn, um dort den Text abzuändern (die Wörter „Faschismus" und „revolutionär" wurden auf Antrag von Julius Raab herausgestrichen). Unter dem Einfluss des späteren Bundesführers Ernst Rüdiger Starhemberg, der den Eid als „unklar und bombastisch" bezeichnete, weigerten sich die oberösterreichischen Heimwehrführer, den Eid zu schwören.

Der offiziell veröffentlichte Text wurde immer wieder falsch zitiert - entweder absichtlich, wie durch den Kunschak-Flügel, oder unabsichtlich, wie durch Verfasser zeitgeschichtlicher Werke, die gelegentlich auch Kirche und Erziehungssystem in die Eidesformel einschließen.

--> Merke: Das Gelöbnis wurde nicht, wie oft auf Photos dargestellt, beim „Gauaufmarsch" auf dem Hauptplatz, sondern im Saal des Gasthofes Taul geleistet. Ist zu diesem „Symbol" noch ein Kommentar notwendig? Wir glauben, die Darstellung der Fakten genügt.

  • Brusatti/Heindl (Hg.), Julius Raab, a. a. O.
  • Walter Kleindel, Österreich. Wien 1978
  • Bruce F. Pauley, Hahnenschwanz und Hakenkreuz. Wien 1972
  • Walter Wiltschegg, Die Heimwehr. Wien 1985