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Karl Heinrich Waggerl (1897-1973)#

Der Meister der Improvisation#

... Am auffälligsten scheint mir, dass die Lebensführung des Österreichers von einem wunderlichen Dilemma beherrscht wird, einerseits von dem ängstlichen Gefühl, dass im Ablauf der Dinge immer auch etwas Drohendes, Unberechenbares mitwirke, und anderseits von der wehmütigen Einsicht, dass es ja doch vergeblich sei, dagegen anzukämpfen. Die Sprache meines Landes drückt das in zwei Redensarten aus: „Da muss was g'schehn" und „da kann man halt nichts machen." Dieses ständige Schwanken, diese Scheu vor endgültigen Entschlüssen, überhaupt vor allem, was scharfe Konturen hat, das bringt den Österreicher in den Ruf, unzuverlässig zu sein. Freilich trägt ihm seine Schwäche auch wieder den Nutzen ein, dass er eigentlich nirgends in der Welt Feinde hat. Denn überall verzeiht man dem Nächsten lieber seine Fehler als seine Vorzüge.

In Wahrheit ist der Österreicher gar nicht so unsicher, er ist nur vorsichtig. Das Schicksal hat ihn an Gefahr gewöhnt, immer musste er und mus auch heute noch vieles gegeneinander abwägen. Die Natur selber ist nirgends genau, wie sollte es der Mensch in seinen Entschlüssen sein können! So wurde der Österreicher zum Meister der Improvisation, der Kunst, sich mit dem jeweils Gegebenen einzurichten. Dazu braucht er nun Zeit, oder er gebraucht sie, indem er sie aus sich selber wirken läßt. Nichts hasst der Österreicher so sehr wie Hast, wie überstürztes Handeln. Das rechnet man ihm wiederum als Faulheit an.

Aber vielleicht macht er sich nur die einfache Erfahrung zunutze, dass es im Grunde einerlei ist, ob man selber läuft oder die Dinge laufen läßt - eine Tatsache, die ja vor kurzem auch von der Wissenschaft entdeckt wurde.

Oft werde ich auf Reisen von atemlosen Leuten gefragt, wie es denn bei mir daheim mit der Arbeit stünde, mit dem Vorankommen, dem Wiederaufbau. Ich sage dann gern, wir seien noch mit den Schäden aus dem Türkenkrieg beschäftigt, mit den neuen hätten wir uns bisher gar nicht befassen können. Unerschöpflich ist die Geduld, mit der der Österreicher seine eigenen Schwächen erträgt. Er betrachtet eben das Dasein als ein Gefüge, das sich mit Sinn und Widersinn im Gleichgewicht hält. Wahrscheinlich hat er wohl auch im jahrhundertelangen Umgang mit seinen östlichen Nachbarn etwas vom Fatalismus des Orientalen ins Blut bekommen, zudem aber liebt er es, das nüchterne Materielle zu vermenschlichen, zu beseelen...

Auszug aus: "Der Österreicher"

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