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50 dezember 1893
Also unter dem ersten Scheine auf einmal ein zweites Thema: der
100 Zwist von Denken und Fühlen, wie das Herz dem Kopfe nicht
gehorchenmagundsichangewohnteTriebeklammert–dasrechte
Thema unseres Geschlechtes, das zwischen zwei Zeiten ist, neu im
Gehirne, das der Zukunft gehört, alt im Gemüthe, das die Ver-
gangenheit nicht verwindet. Das ist künstlerisch sehr fein, weil es
105 dieiWahrheitanunsererempfindlichstenStelletrifftundinderThat
das Leben gern jede Frage in einer anderen versteckt. Aber theatra-
lisch ist es falsch, weil es gegen die erste Gebühr der Bühne, gegen
die klare, strenge, pedantische Ordnung des scenischen Verlaufes
stößt. Die Bühne braucht deutliche und rasche Folgen. Der Hörer
110 muß gleich in die Dinge gebracht, von ihnen gepackt, durch sie
gezwungen werden. Er darf nicht erst suchen und zweifeln. Wenn
erschwankt, istdieWirkungschongehemmt,weilerdannzaudern,
sich besinnen, prüfen kann; es stockt der Fluß gehorsamer Gefühle.
Aber wenn er gar sich plötzlich wenden, das erste Thema verlas-
115 sen, mit einem anderen rechnen soll, ist es aus. Er thut dann nicht
mehrmit.Er trautnichtmehr.ErwirdsichnichtamEndenochein
zweites Mal beschämen lassen, wenn der Dichter etwa im dritten
Acte wieder eine andere Laune hat. Er haßt jetzt das Stück, das ihn
täuschte.Ermurrt,alsobes ihnverlachen,alsobes ihnäffen,alsob
120 man ihn da oben »frozzeln« wollte. Da wehrt er sich gekränkt und
schlägt aus. Der Dichter soll nur nicht glauben, gescheidter zu sein
–daswirderihmschonvertreiben.SoistIronieaufderBühnenicht
möglich,nichtgegenAndere,undgegensichselberschongarnicht,
weil sie vom Hörer nur als Spott, Beleidigung und Dünkel emp-
125 funden wird. Was einmal gebracht wurde, läßt er sich nicht mehr
nehmen. Was einmal behauptet wurde, soll unabänderlich gelten.
Wasereinmalfühlt,gibternichtwiederher.Erfragt imerstenActe:
Waswirdverhandelt,woistdasThema,weristderHeld?Nunstellt
er seine Gefühle auf, für dieses, gegen jenes, und theilt seine Stim-
130 mungen aus, so oder so. Unbewußt macht er sich selber ein Stück,
das er dann von dem Autor unerbittlich verlangt. Kein anderes will
er dulden. Der erste Act muß im Hörer wecken, was die anderen
halten.Dieanderenmüssenbringen,wasderersteverspricht.Sonst
kannes nicht treffen.Das istdasganzeEinmaleinsderWirkung.
135 Das fehlt dem »Märchen«, um vom künstlerischen Werthe zur sce-
nischen Kraft zu kommen. Es fehlt, was der gute, dicke Sarcey mit
dem deutlichen Gewissen der theatralischen Instincte immer gleich
an jedem Stücke fragt: Es hat keine idée maitresse – es hat kei-
nen Kern, der die Gefühle um sich sammeln, fassen, einigen würde.
140 Es schlägt im Hörer ein Stück um das andere an, aber keines wird
gehalten. Da ist das Stück von den Gefallenen, mit dem Thema der
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
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- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916