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dezember 1893 51
»Denise«undder»Vergini«.DanndasStück jenesZwistesvonVer-
standundGefühl,dasauchicheinmal, imSturmedererstenJugend,
mitmeinen»neuenMenschen«versuchte.Aberplötzlicheindrittes
145 Stück, wie kleine Nervositäten große Leidenschaft verstören. Und
ein viertes, ob man denn überhaupt, auch wenn sie Tugend hätte,
eineSchauspielerinliebendarfunddiekitzlicheEhredesLiebenden
sich je in die Sitten dieses Gewerbes schickt. Vier Stücke so in drei
Acten, eines in das andere verkapselt, wie im Leben, das auch nir-
150 gends ein Thema allein, sondern immer bunte Wechsel verhandelt.
Aber diese unpräparirte, in Wust verwurzelte und volle Wahrheit,
dienochihredunkleErdeandenKnollenträgt,magderHörernicht,
der in den alten Sitten der Bühne auf reinliche, aus aller Nachbar-
schaftgelösteund logischgeordneteStoffeerzogen ist.
155 Und noch nicht genug. Da ist noch mehr, den Hörer erst recht zu
ängstigen und klemmen. Das geschieht durch seine Weise von Psy-
chologie.
Psychologie ist auf der Bühne nicht neu. Alle echte Komödie, von
Beaumarchais und Diderot über Molière und Shakespeare bis Plau-
160 tus und Terenz, lebt von ihr. Nur ist sie da freilich dramatische
Psychologie. Sie bringt blos, was dramatisch treiben kann. Sie ver-
zichtet, den ganzen Menschen zu geben. Sie holt aus seiner Seele,
was der Handlung dient. Sie nimmt ihn nicht in seiner Fülle, wie
er wird und wächst, versagt und erstarkt und in jedem Schicksale
165 wechselt. Sie wählt ein einzelnes Stück, das ihrer Fabel eben paßt.
Die Fabel braucht etwa Liebe. Da ist es klar, daß im Leben ein Lie-
bender immerdochnebenbeiauchnochwasAnderes ist.DieLiebe
schöpft seine Seele nicht aus. Der Liebende kann ein Spötter und
kannsentimental, einTräumeroderthätig,wildoderbesonnensein.
170 Die Liebe ist nur ein Stück; daneben hat seine Seele noch Anderes.
AberdramatischePsychologiekümmertdasnicht.DiesenRestmag
sienichtzeigen.SiezeigtvondemLiebendennichtsalsdieLiebeund
zeigt auch von der Liebe wieder nur, was dem scenischen Verlaufe
hilft. So ist esder Brauchder PsychologieaufderBühne.
175 Ich möchte nun deßwegen noch nicht gleich behaupten, daß die
Bühne überhaupt keine andere Psychologie vertragen kann. Einige
Franzosen, Henri Becque, Lavedan und Porto-Riche, suchen sie
jetzt eifrig, und man muß erst warten, ob es, wie es ihnen gelingt.
Abermanverstehtdochgleich,daßsienicht leichtaufdenüblichen
180 Hörer wirken, der mit anderen Hoffnungen kommt. Er ist anders
gedrillt. So können sie ihn nicht treffen. Sie wollen den ganzen
Umfang, den ganzen Inhalt und alle bunte Fülle einer Seele geben.
Er istgewohnt,daßAlles immernurderHandlung,demGangeder
Fabeldienensoll.SiebringenAlles,wasimCharakterist,ohneWahl
185 und Sichtung. Er ist gewohnt, daß nichts gebracht wird, was nicht
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
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- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916