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112 oktober 1895
feld schrieb: »Jedenfalls ist es für die Theaterdirection ein Glück,
wenn in ihrer Stadt ein producierendes Talent sich entwickelt, wel-
ches in gebildeter Weise und außerhalb der alltäglichen Routine die
neuen Lebenselemente der Stadt dramatisiert.« Nur darf man nicht
115 verschweigen,dasservorderhandnochnichtsoweit ist.Erweißdie
neuenElementeunsererStadtzufühlen,auchzuschildern;»drama-
tisieren« kann er sie noch nicht. Man dramatisiert Zustände, indem
man Menschen in sie bringt, die sich ihnen widersetzen; dort, wo
sichdieMenschenmitdenDingenentzweien, fängtdasDramaerst
120 an. Aber seine Menschen, die nichts wollen, sitzen unbeweglich in
ihren Zuständen drin, wie Chamäleons, die immer die Farbe ihrer
Umgebung haben; so kann man sie nicht sehen, sie bleiben grau,
traurige, aber nicht tragische Personen, und er scheint nicht zu wis-
sen, dass der Mensch erst, wenn er sich aus seinem Boden löst, von
125 den anderen abhebt und seine eigene Farbe annimmt, dass er im
Streite und durch die That erst dramatisch wird. Das hat er noch
zu lernen.i
Das Schauspiel war schlecht insceniert; das wienerische Wort ist
hier am Platze: schlampert. Die Schauspieler standen immer im
130 Rudel um den Souffleur, ohne je zu einer natürlichen Gruppe, zu
einem ruhigen Bilde zu kommen. Die angenehme Laune des ersten
ActeswurdedurcheineforcierteundungemüthlicheLustigkeitmit
GepolterundTapagegestört.DemliebenStübchenderChristin im
zweiten,dashierehereinerManègeglich, fehlte jedeStimmung;ein
135 »Kanari«, eine Nähmaschine, ein Spinett hätten dazu genügt und
wennmanschonselberkeinenGedankenhatte,brauchtemandoch
nur das fünfte Bild vom »Nazi«, wo dieselbe Situation sehr lieblich
dargestelltwird,nachdemWiedenerTheaterzucopieren.Einestille
Lampeschienheller,alsjedieSonnescheint,undwiedannderMond
140 kommen soll, wurden die Liebenden in einem lächerlich grasgrü-
nen Lichte komisch. Alle Stellungen, Bewegungen, Beleuchtungen
waren falsch. Durch diese saloppe Regie wurden auch die unbe-
schreibliche Größe, Gewalt und Pracht der Sandrock und die
köstlichen Gestalten der Herren Zeska und Kutschera beschä-
145 digt.
Vor der »Liebelei« wurde, fein und intim insceniert, ein Act von
Giuseppe Giacosa gespielt, »Rechte der Seele«, deutsch von Otto
Eisenschitz,derletzteActeinerTragödiezwischenGatten,demnur
leider die nothwendigen Voraussetzungen und Vorbereitungen feh-
150 len:sostörtallerhandExposition,diebereitserledigtseinmüsste,da
hierkeineZeitmehrist,auchhatderHörerMühe,sogeschwindvon
selber indieStimmungzukommen,dievonihmverlangtwird,und
daher mag an dem Stoffe manches gekünstelt und erklügelt schei-
nen,dasdochsehrwahrundlebendig ist.Herr Hartmannspielte
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916