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360 oktober 1905
155 Amadeus? Es wird wahr werden. Glaubst Du denn, dies sollte eine
PrüfungfürDichsein?DenkstDu,ichspielteeinekindischeKomö-
die, um Dich zu strafen, und jetzt, nachdem Du zu früh die ganze
Wahrheit erfahren, würde ich Dir in die Arme sinken und erklären,
alles sei wieder gut? Hast Du es wirklich für möglich gehalten, daß
160 nun alles vergessen sei und wir unsere Ehe wieder aufnehmen wer-
den,wosieunterbrochenwurde?KannstDuesdennnurwünschen,
daß es so kommt und daß es eine Ehe wird wie tausend andere, wo
man sich betrügt – und wieder versöhnt – und wieder betrügt, je
nach der Laune des Augenblickes?« Amadeus will sie beschwichti-
165 gen:»Wirhabenunsnichtbetrogenundnichtversöhnt–wirwaren
frei und haben uns wiedergefunden.« Aber sie läßt sich jetzt von
keinen Lügen mehr fangen: »Wir uns... Als wenn das nur möglich
gewesenwäre!Was istesdenn,wasmichmiteinemmal fürDichso
begehrenswert machte? Nicht daß ich Cäcilie war – nein: daß ich
170 als eine andere wiederzukommen schien. Und war ich denn wirk-
lich Dein? Ich war es nicht. Oder bist Du so bescheiden geworden
miteinemmal,daßDireinGlückgenügte,daszurselbenStundesich
vielleichtaucheinandererhätteholenkönnen,wennernurdagewe-
senwäre?«Undsoscheidensie.Eswirdzuertragensein, siehaben
175 ja beide zu arbeiten. Und vielleicht, wer weiß? »Wir sind einander
soviel gewesen, Amadeus, daß wir uns die Erinnerung daran erhal-
ten müssen. Wenn das ein Abenteuer war, so sind wir auch unser
vergangenesGlücknichtwert;wareseinAbschied,sosindwirdoch
vielleichtzu einem künftigenbestimmt ... vielleicht.«
180 Ich habe hier manches gefunden, das mir nachgegangen ist. Dieses:
manlebtmiteinerFrau,hatsiegernundweißdocheigentlichnichts
von ihr, sie kann morgen eine andere sein, über Nacht. Und die-
ses: wir sehen die Menschen nur so, wie wir für sie fühlen. Seitdem
AmadeusseineFrausinnlichgleichgültiggewordenist,glaubtersie
185 gleichgültig,unsinnlich,kalt.Worinvielleichtnocheinganzanderes
Stück steckt. Und dieses: wir glauben unser Schicksal zu regieren,
aberesspieltmitunsundunsereigenesLebenlebtüberunshinweg;
was ich im »Meister« so sehr empfunden habe. Nicht angenehm ist
mir der Ton, in welchem Amadeus mit seinem Freunde verkehrt:
190 Griensteidl 1890. Und gar nicht mag ich den Fürsten. Dies mag
meineSchuldsein. JederkannnurnachseinenErfahrungendenken.
DieserjungeFürstbeträgtsichedleralsalleandereninderKomödie.
Nach meinen Erfahrungen ist in seinen Kreisen sittlicher Takt und
Menschlichkeit der Empfindung unbekannt. Wenn ich die Kapell-
195 meister nehme, die ich kenne, und mit den Baronen, Grafen oder
Fürsten vergleiche, über welche mir ein Urteil zusteht, so ist jeder
von jenen menschlich mehr wert als diese. Ich weiß nicht, woher
Schnitzler andere Erfahrungen haben kann. Und es stört mich sehr,
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916