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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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Page - 408 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931

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408 november 1908 nen, daß wir genau so viel leisten und vor der Zukunft einst gelten werden, als es uns gelingt, Vergangenheit zu vergessen und Ver- gangenheit vergessen zu machen. Eben das aber, was wir vergessen wollen, daran spritzen sich die Juden jetzt ein künstliches Erinnern 45 ein. Das lustigste Beispiel ist mir immer die Geschichte mit dem Vaterunser, die ich so gern erzähle. Ein Jude sagte einmal, irgend etwas sei ihm unvergeßlich. Und um den Grad der Unvergeßlich- keit recht zu beteuern, sagte er: Unvergeßlich wie das Vaterunser! Ichstutzte. IchversuchtedasVaterunseraufzusagen.Esgelangmir 50 nicht.Ichbinganzfrommerzogen,meineMutterwarfast,wasman eineBetschwesternennt,undinSalzburg,wohinichdanninsGym- nasiumkam,wurdenwirsehrkirchlichgehalten.Esgelangmiraber nicht, ich fandschondendrittenSatznichtmehr.Nunwar ichneu- gierig, ichfingmeineFreundezuprüfenan.Zunächstdie,welchein 55 katholischen Klöstern erzogen sind, in Kremsmünster oder bei den Schotten.Sieheda,siewußtenalledasVaterunsernichtmehr.Wenn ichaberaneinenJudenkam,derwußtees. IchhabedasExperiment zuletztnochinBerlinanunsermTischimSavoygemacht.Daistein Baron, den die Jesuiten in Kalksburg erzogen. Dann ist ein Elsässer 60 da, der einmal zu den großen Hoffnungen der katholischen Litera- turgehörte.Wir drei versuchten nun,zusammendas Vaterunserzu buchstabieren. Es gelang uns nicht. Aber da kam lachend Schalom Asch und half uns aus, der wußte es. Ich habe jetzt wenigstens ein Mittel,Judenzuerkennen.Ichfrageeinenbloß,oberdasVaterunser 65 weiß. In Schnitzlers Roman ist auch manches Beispiel dafür. Er selbst, dies spürt man überall, er will ja mit aller Kraft heraus: von der angelogenen Vergangenheit weg und aufs Leben los, auf unser eige- nes Leben! Jene jüdische Rührung über alles, was die Juden nicht 70 angeht,haterzueinerStille,Weiche,GütederDarstellunggezügelt, die einen künstlerischen Reiz aus ihr macht. Freilich fühlt man ihr bisweilen seine Neigung an, wegzutreten, beiseite zu stehen, nicht mitzutun,wozuGerechtigkeitsovielevonunsverführt.Erhateine Neigung,gekränktzusein,woesvielleichtnützlicherwäre,wütend 75 zuwerden(erkannmirallerdingsantworten,daßsichGefühlenicht kommandieren lassen). Ins Freie kommt man freilich, wenn man weggeht. Aber ist es die Freiheit von Flüchtlingen, die wir wollen? Wird Oesterreich frei, wenn man sich von ihm frei macht? Und an dieKraftderstillenArbeit,vonderihrimmersprecht,kannichnicht 80 mehr glauben. Still gearbeitet wird in Oesterreich seit hundert Jah- ren;undes istnoch immerstill. UndnochetwaskannichanSchnitzlernichtverstehen.Erstensteilt er den Irrtum der Juden in Oesterreich, als ob ihr Fall ein besonde- rer wäre. Das ist er nicht. Sie werden unterdrückt, gewiß. Aber es
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
Title
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Subtitle
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
Editor
Kurt Ifkovits
Martin Anton Müller
Publisher
Wallstein Verlag
Location
Göttingen
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8353-3228-7
Size
14.6 x 23.4 cm
Pages
1010
Categories
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Table of contents

  1. 1891 7
  2. 1892 18
  3. 1893 31
  4. 1894 64
  5. 1895 91
  6. 1896 115
  7. 1897 135
  8. 1898 160
  9. 1899 167
  10. 1900 173
  11. 1901 192
  12. 1902 222
  13. 1903 246
  14. 1904 288
  15. 1905 338
  16. 1906 371
  17. 1907 386
  18. 1908 401
  19. 1909 413
  20. 1910 433
  21. 1911 447
  22. 1912 463
  23. 1913 480
  24. 1914 492
  25. 1915 497
  26. 1916 502
  27. 1917 507
  28. 1918 510
  29. 1919 526
  30. 1920 536
  31. 1921 539
  32. 1922 547
  33. 1923 570
  34. 1924 583
  35. 1925 584
  36. 1926 585
  37. 1927 586
  38. 1928 588
  39. 1929 590
  40. 1930 593
  41. 1931 598
  42. 1932 604
  43. 1934 606
  44. 1936 607
  45. 1962 610
  46. Quellennachweis und Erläuterungen 632
  47. Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
  48. Theaterbesuche 792
  49. Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
  50. Editorische Richtlinien 796
  51. Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
  52. Nachwort 820
  53. Dank 864
  54. Verzeichnis der Dokumente 866
  55. Korrespondenzpartner 902
  56. Register 916
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