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448 januar 1911
1043.Schnitzler:DiefeuilletonistischenHaupttypen, [1911?]
Die feuilletonistischenHaupttypen:
H.B. hat es am leichtesten. Bei aller Genialität und gelegentlichem
Kunstverstandes ohne sicheres Urteil, sieht er sich nie vor die Not-
wendigkeit gestellt, ein uinneresu Hindernis zu überwinden. Er
5 glaubt immer das, was er ausspricht. Er hat nicht genug Fond,
um verlogen zu sein. Er hat kein sachliches Verhältnis tfürdiezu
denuDingeunuoder Menschen, es wird ihm durch Stimmung, Poli-
tik, Sympathie oder Antipathieu,u tdasdurch einu zufällige ugetatgu
Wort eines Andern erst gegeben. Die augenblickulichue fixe Idee,
10 die ihn beherrscht, wird seine Stellung zu den Dingen und Men-
schen vor allem beeinflussen. Das vorgefasste Bild der Welt oder
eines Bruchteils dieser Welt wirkt bestimmend auf alles, selbst das
Fernstliegenste,daszufälligindenKreisseinerBetrachtungengerät.
B.B. hat allerlei zu überwinden, aber es wird ihm nicht schwer.
15 Die augenblickliche Wirkung, die geringste Befriedigung seiner
Eitelikeit ist ihmsowichtig,dassdagegenseinVerstand, seinUrteil,
die beide vorhanden sind, überhaupt nicht aufkommen. Für ihn
muss der Hahn nicht dreimal krähen, ehe er jemanden verrät. Sein
ganzes Wesen ist Verrat, aber ein Verrat völlig ohne Tücke, ohne
20 böseAbsicht.Eristwederperfid,nochDiplomat,eristsehrharmlos
undumdenFingerzuwickeln.DerKernseinesWesensistEitelkeit.
F.S. hat es zuweilen schwer. Er versucht natürlich sich vor sich
selbst, gelegentlich wohl auch vor Andern zu rechtfertigen, wenn
er irgendeintUrteileMeinunguausspricht,daservorseinemeigenen
25 Verstand nicht rechtfertigen könnte. Aber er bedarf zu der Recht-
fertigung sowohl, als auch manchmal zu dem Urteil eines Efforts,
der ihnviel Intensitätkostet, ihnseelischschädigt. InseinemWesen
wären alle Vorbedingungen zum unbedenklichen Feuilletonisten
grossen Stils gegeben, aber er kennti und er beobachtet sich zu gut,
30 undschlimmernoch,erweisssichauchvonAndernbeobachtet,die
t
sichihnukennenu,uund es ist wohl möglich, dass gerade seine bes-
tenFreundeseinereigentlichenEntwicklunghinderlichwaren,dass
er,wieeinervondiesenFreundensichausgedrückthat, inschlechte
Gesellschaftgeraten ist.
35 Spielen keinerlei Momente der höheren Politik, der persönlichen
Beziehungen und der Eitelkeit mit, so werden alle diese Feuilleto-
nistennachdemMassihrerBefähigungauchdieobjektiveWahrheit
auszudrücken imstandesein.
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
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- 1924 583
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- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916