Page - 42 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Image of the Page - 42 -
Text of the Page - 42 -
Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung42
zu seiner späteren Frau, der Konzertsängerin Emmy Heim83, pflegte und möglicherweise
mit ihr bereits liiert war (Abb. 10).84 Sie war zu diesem Zeitpunkt noch mit dem an-
gehenden Schriftsteller Emil Alphons Rheinhardt85 (1889–1945) verheiratet, lebte aber
bereits getrennt von ihm.86 Singer könnte Heim bei einem ihrer Konzerte kennengelernt
haben oder über Itten, der musikbegeistert und mit dem finnischen Sänger Helge Lind-
berg befreundet war.87
Vermutlich auf Anregung seines Lehrers Felix Albrecht Harta schloss Singer sich
bereits 1916 der „Kunstschau“ – dem „Bund österreichischer Künstler“88 – an und
stellte seine dem Expressionismus verpflichteten Ölgemälde mit dieser Gruppe bei der
von März bis April 1918 gezeigten 49. Ausstellung der Vereinigung bildender Künst-
83 Die in Wien geborene Konzertsängerin Emmy (eigtl. Emilie) Heim (1885–1954) studierte Gesang,
debütierte 1911 in Wien und gab zahlreiche Konzerte. In erster Ehe war sie vom 30. Juni 1915 bis 1.
April 1920 mit dem angehenden Schriftsteller Emil Alphons Rheinhardt (1889–1945) verheiratet.
Sie war mit der Pädagogin Eugenie Schwarzwald befreundet und wurde 1916 von Oskar Kokoschka
porträtiert. Siehe: Scheu 1985, S. 47; Ackermann 2017, S. 1–8.
84 Siehe: AAD/V&AM, Brief Johannes Itten an Emmy Heim, 29.12.1917, AAD 3-1982, PL6. Der
Brief, in dem sich Itten für sein Fehlen bei einem Konzert bei Heim entschuldigt, ist an Emmy
Heim, Schadekgasse 18 adressiert und endet mit dem Satz: „An Sie und Franz Singer meine besten
Grüsse!“. Auf einer undatierten Einladungskarte lädt Itten beide zu einem Konzert von Helge Lind-
berg ein: „Lieber Franziskus, ich würde mich sehr freuen Sie Mittwoch den 23. Oktober mit Frau
Emmy und ihrer Schwester Frieda im Konzert meines Freundes Helge Lindberg zu sehen. Soll ich
Ihnen Karten besorgen?“ Siehe: AAD/V&AM, Einladungskarte von Johannes Itten an Franz Singer,
undatiert, AAD 3-1982, PL6.
85 Siehe: Georget 2012.
86 Laut der Scheidungsakte lebte das Ehepaar Rheinhardt/Heim bereits seit 1917 getrennt voneinan-
der. Siehe: AGS, Scheidungsakt, 1.4.1920. Ein Brief von Itten belegt, dass sich Emmy und Franz
bereits 1917 kannten und vermutlich auch gemeinsam in der Schadekgasse 18 lebten. Siehe: AAD/
V&AM, Brief Johannes Itten an Emmy Heim, 29.12.1917, AAD 3-1982, PL6. Am 17. März 1921
heirateten Emmy Heim und Franz Singer in Weimar. Trauzeugen waren Bruno Adler und Margit
Téry-Adler. Siehe: Heiratsurkunde 17.3.1921, Privatbesitz. Offiziell war Heim für die Wohnung in
der Schadekgasse 18 seit dem 3.6.1922 und Singer seit dem 10.2.1925 gemeldet. Auskunft WStLA,
Brief, 17.6.2011, 17.2.2017.
87 Dass Itten mit Lindberg befreundet war, geht aus einer undatierten Einladung von Itten an Franz
Singer, seine Schwester Frieda und Emmy Heim zu einem Konzert von Helge Lindberg hervor.
Siehe: AAD/V&AM, Einladungskarte von Johannes Itten, undatiert, in: AAD 3-1982, PL6. Ebenso
findet sich ein Hinweis auf die Freundschaft in der Erzählung der Schülerin Ida Kerkovius. Siehe:
Itten o. J. (um 1960), S. 9. Franz Singer besaß ein Exemplar dieses Büchleins. Siehe: AAD/V&AM,
AAD 3-1982, PL6. Konzerte von Heim sind durch erhaltene Plakate dokumentiert. Siehe bspw.:
ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung, Plakat des Konzerts „Kriegsfürsorge-Veranstaltung [...] zu
Gunsten des k.u.k. Reservespitales Nr. 1 und des k.u.k. Kriegsspitales Nr. IV in Meidling“ im Gro-
ßen Musikvereinssaal u. a. mit Emmy Heim, 14.5.1917.
88 Der „Bund österreichischer Künstler, Kunstschau“ hatte sich in Abspaltung zur Secession auf Veran-
lassung von Gustav Klimt gebildet.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482