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Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung74
zugreifen, indem er in Weimar von März bis Juli
1922 einen De Stijl-Kurs einrichtete, der Grund-
lagen für architektonisches Gestalten vermitteln
sollte.252 Denn trotz des obersten Ziels von Gro-
pius, eine neue Architektur zu schaffen, fehlte
eine Architektenausbildung am Bauhaus.253 Im
Herbst 1922 organisierte van Doesburg einen
Konstruktivisten-Kongress in Weimar, mit dem er
das Bauhaus an die aktuellsten Strömungen wie
Dada, De Stijl und russischen Konstruktivismus
heranführte.254
Wie sich aus der erhaltenen „Namentliche[n]
Liste für den ersten Styl-Kursus in Weimar durch
Theo van Doesburg Kursuszeit März-Juli. Mitt-
wochabends von 7–9 Uhr“255 aus dem Jahr 1922
entnehmen lässt, war Franz Singer Teilnehmer
des De Stijl-Kurses (Abb. 31). Er trug sich in die
Anmeldeliste jedoch nicht als Tischler, sondern
als Maler ein, womit sein eigenes Selbstverständ-
nis deutlich wird. Für die Möbel, die später in
seiner Ateliergemeinschaft mit Friedl Dicker in
Wien von 1925 bis 1928 entstanden, ist eine Orientierung an van Doesburgs konstruk-
tivistischen Gestaltungsgrundsätzen erkennbar. 1937 wird Singer neben Lehrpersonen
des Bauhauses auch den ihn prägenden „Van Doesburg von der holländischen Stijl-
Gruppe“256 in seinem Lebenslauf angeben.
252 Warncke 1990, S. 154.
253 Warncke 1990, S. 157.
254 Herzogenrath 1994, S. 114.
255 Siehe: RKD Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Den Haag, Archiv von Theo und Nelly
van Doesburg, Teilnehmerlisten des „Stijl-Kursus“ März-Juli 1922, Inv.-Nr. 0408-1217. Dass es
sich bei der Angabe „Singer“ um Franz Singer handelt, obwohl der Vorname nicht angegeben ist,
bestätigt die Angabe der Adresse „Karl Alexander Allee 15“. Diese Adresse ist auch auf einer Meld-
ebestätigung von Singer im AGS angegeben. Auf der Kursliste erscheinen außerdem: Walther Herz-
ger, Wolfgang Molnar, Lena Maes, Burchhardt, Hans Fuchs, Fritz Gorodiski, Umbehr, Nini Smith,
Werner Gräff, Peter Röhl, Jutta Zitzewitz, Erich Brendel, Pap, Erna Niemeyer, Georg Teltscher,
Burgharz, Erffa, Berson, Fräulein Norden, Schönfeld, Schneiders und Meister Josef Zachmann.
Mit der Angabe „Pap“ dürfte Gyula Pap gemeint sein. Siehe dazu: Kat. Ausst. Kunstverein für die
Rheinlande und Westfalen 1990, S. 31.
256 Franz Singer, Ansuchen um Verleihung der Befugnis eines Architekten, Lebenslauf, 31.7.1937,
Original: ÖStA/AdR HBbBuT BMfHuV Allg Reihe PTech Singer Franz Karl 08.02.1896 GZl.
Abb. 31: Theo van Doesburg, Teilneh-
merliste De Stijl-Kurs, 1922, RKD.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482