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Dickers und Singers künstlerische
Ausbildung78
den äußeren Balkenköpfen, den Türen und dem
Treppengeländer die Kunst des Zimmermann-
handwerks vor. Im Inneren wurde durch Vari-
ation des Dreiecks, Kristalls und Prismas eine
expressionistische Formensprache eingesetzt
(Abb. 38).268 Diese „Holzbauromantik“ weiter
fortsetzend, entwarf Determann 1920 eine Bau-
haussiedlung aus Blockhäusern für das Gebiet
am „Tannenwäldchen“ in Weimar (Abb. 39).269
Um 1921/1922 erfolgte am Bauhaus schließ-
lich die Auseinandersetzung mit aktuellen bau-
politischen Fragen, wie der Dringlichkeit neuen
Wohnraums und dem damit verbundenen
„rationellen“ Bauen und einem daraus hervor-
gehenden Wandel der Formauffassung.270 Im
April 1922 wurde die Bauhaus-Siedlungsgenos-
senschaft GmbH gegründet. Von dem Studenten
Farkas Molnár hat sich eine 1922 entstandene
Kohlezeichnung der von Gropius und Fred For-
bát geplanten Bauhaussiedlung Am Horn er-
halten (Abb. 40).271 Sie zeigt kubische Gebäude
und ein Hauptgebäude mit Turm, an das sich die
Werkstätten in strenger Reihung wie moderne
Fabrikgebäude nach Süden anschließen. Am Hang sind Einfamilienhäuser gruppiert.272
Der junge ungarische Architekt Fred Forbát, der als Planer 1920 ans Bauhaus berufen
worden war, entwickelte mit Gropius darüber hinaus einen als „Wabenbau“ bezeichneten
Typenbaukasten aus standardisierten kubischen Raumkörpern, aus denen individuelle
Einfamilienhäuser entstehen konnten (Abb. 41). Diese Entwürfe ließ Gropius von Forbát
für den „Baukasten im Großen“ weiterentwickeln, der 1923 auf der Bauhausausstellung
gezeigt wurde (Abb. 42).273 Die Stadtverwaltung in Weimar lehnte jedoch alle geplanten
268 Winkler 1994, S. 296.
269 Winkler 1994, S. 297.
270 Winkler 1994, S. 299.
271 In der Literatur ist die Beschriftung der Zeichnung teilweise nicht präzise angegeben. Teils wird
nur Farkas Molnár oder Fred Forbát angegeben. Korrekt ist, dass Farkas Molnár hier Gropius’ und
Forbáts Idee einer Bauhaussiedlung zeichnerisch festgehalten hat. Siehe dazu: Winkler 2009, S. 176.
272 Siebenbrodt 2009a, S. 239.
273 Siebenbrodt 2009a, S. 239.
Abb. 36: Walter Determann, Lage-
plan einer Bauhaus-Siedlung Weimar,
1920, Tusche, Tinte, Gouache, Aqua-
rell, Graphit auf Transparentpapier,
67 x 51,1 cm, KSW.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482