Page - 146 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938146
Nachdem die Wiener Süßwarenfabrik der Familie Heller ebenfalls „arisiert“ worden
war, baute Hans Heller mit anderen Familienmitgliedern eine neue Produktion in den
USA auf.134
Das Ehepaar Hans Moller und Anny Wottitz-Moller trennte sich 1938. Hans Moller,
der für die familieneigene Textilfirma S. Katzau135 in Náchod-Babí in der damaligen
Tschechoslowakei arbeitete, emigrierte im September 1938 nach Palästina. Sein Cousin
Erich Moller (1895–1995) hatte dort seit 1934 die Textilfirma Ata Textile Co. aufgebaut,
für die Hans Moller nun ebenfalls arbeitete.136 Auch seine Eltern Alice und Hugo Moller
emigrierten nach Palästina.137 Anny Wottitz-Moller floh mit ihrer Tochter Judith 1938
erst nach London und 1940 schließlich nach Palästina, wo sie 1945 verstarb. Nach dem
Krieg bemühte sich Hans Moller um die Rückgabe des von Adolf Loos geplanten Hauses
durch die Republik Österreich. Doch diese wollte das Gebäude nur unter der Bedingung
zurückgeben, dass Moller zunächst für die in seiner Abwesenheit angefallenen Steuern
aufzukommen habe.138 Daraufhin bot Moller das Haus dem neu gegründeten Staat Israel
an, der im Jahr 1950 für die geforderte Summe von 45.000 Schilling aufkam und es seit-
her als Residenz der israelischen Botschafterin bzw. des Botschafters nutzt.139 1949 war
das Haus inklusive der eingebauten Inneneinrichtungen unter Denkmalschutz gestellt
worden.140
Hildegard Auersperg emigrierte nach der Trennung von Auguste-Olympe Hériot
1938 in die USA und heiratete dort den Bankier Louis Rothschild (1882–1955).141
Das Ehepaar Gisela Jäger-Stein und Paul Stein, Eduard und Stefanie Kronengold, die
Witwe Helge Lindbergs, Friederike Schlichter-Lindberg, die Witwe Julius Koritschoners,
134 Templ/Walzer 2001, S. 180.
135 Gesellschafter der Firma S. Katzau waren neben Hans Moller seine Eltern Hugo und Alice Moller,
sein Cousin Erich und seine Cousine Julie. Siehe: ÖStA/AdR E-uReang VVSt VA Buchstabe M
43805 Moller, Hugo, 6.7.1865, 1938–1945 (Akt (Sammelakt, Grundzl., Konvolut, Dossier, File)).
Zur Entstehung der Firma S. Katzau siehe: Gaugusch, S. 1368. Zu Erich und Hans Moller siehe:
Foitzik 1980, S. 506.
136 Mündliche Auskunft Judith Adler, 24.4.2016. Im Biographischen Handbuch der deutschsprachigen
Emigration nach 1933 heißt es: „Hans Moller Gründer der Spinnerei, Weberei und Textilfabrik Ata
Textile Co. Ab 1950 Gründer und geschäftsführender Vizepräsident Moller Textile Corp. in Naha-
riyyah, Mitglied mehrerer AR, Kuratoriumsmitglied Haifa.“ Siehe: Foitzik 1980, S. 506.
137 Mündliche Auskunft Judith Adler, 24.4.2016.
138 Mündliche Auskunft Judith Adler, 25.1.2014. Siehe auch: Templ/Walzer 2001, S. 134.
139 Zu den näheren Hintergründen siehe: Templ/Walzer 2001, S. 110; Weiss 2016, S. 17.
140 EZ1081/MA 37, Gebietsgruppe West, Wien, Schreiben Bundesdenkmalamt an Emmy Moller,
2.9.1949, Baupolizei.
141 Mandl 2012.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482