Page - 192 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer

„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 192 Für Singers frühe Möbel sind zudem geometrische Formbe- standteile und insbesondere kubische Formen kennzeich- nend. 1925 entstanden Möbel für Anny Wottitz-Moller und Hans Moller für ein Damen- und Herrenzimmer in ihrer Wohnung in der Wasagasse im 9. Bezirk in Wien. Bei den Sitz- möbeln für das Herrenzimmer, die auf kubische Stuhlentwürfe des Bauhauses verweisen, ruhte auf vier gedrungenen würfel- förmigen Füßen eine quader- förmige Unterkonstruktion (Abb. 123–125). Die darauf an- gebrachte Sitzfläche schloss auf der Rückseite bündig ab und kragte nach vorne und zu den Seiten über den unteren Teil aus. Zwischen Rückenlehne und Unterkonstruktion befand sich ein Spalt, der die Kom- paktheit des Möbels etwas auf- lockerte und die Konstruktion des Möbels betonte. Vier lose aufgelegte Polster bildeten Sitzfläche, Armlehnen und Rückenlehne. Die heute noch erhaltenen Sitzmöbel des Damenzimmers sind durch runde Formen wie halbkreisförmige Lehnen, runde Sitzflächen, säulenartige Vorderbeine und die aus Stoff-Zylindern zusammengesetzte Polsterung charakterisiert (Abb. 126). Wie bei den Sitzmöbeln des Herrenzimmers findet sich auch hier die Betonung der geometrischen Grundformen wieder, die durch Durchsichten zwischen der halbkreisförmigen Lehne und den säulenartigen Vorderbeinen sowie der kreisförmigen Sitzfläche zusätzlich un- terstützt werden. Die Abstandhaltung zur Unterstreichung der einzelnen Formelemente wurde auch von anderen Schülern des Bauhauses angewandt. So fügte Erich Dieckmann beispielsweise bei dem Tisch für das Herrenzimmer des Hauses Am Horn 1923 Abstand- halter zwischen Tischplatte und Zarge ein (Abb. 127). Abb. 125: Walter Gropius, Sessel für das Direktorenzimmer im Bauhaus, 1923. © 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0