Page - 229 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 229
lien, Ganz- und Halbfabrikaten“138 und beschäftigte zu Beginn „20 qualifizierte Arbeiter,
4 Lehrlinge und 1 Maschinisten“139. Zunächst befand sich der Betrieb unter der Adresse
„Wien XII Kriegsspital IV Baracke 23“140 (später umbenannt in Wien XII Schwenkgasse
4). Als Adressen sind außerdem von circa 1927 bis 1929 die Josefstädter Straße 35141
und ab circa 1929/30 die Bräuhausgasse 6142 angegeben. Möglicherweise handelte es sich
dabei um Geschäftslokale.
Wer aber war Alexander Hartmann und wie kam die Zusammenarbeit mit der Ateli-
ergemeinschaft zustande? Durch die Nachverfolgung der Einträge im Adressbuch konnte
rekonstruiert werden, dass Hartmann akademischer Maler, Lehrer und von 1915 bis
1922 Redakteur der Zeitschrift Kunst und Schule war.143 Der Kunst- und Reformpäda-
goge Franz Cizek hatte 1914 den Verein „Kunst und Schule“ und die gleichnamige Zeit-
schrift gegründet, die ab 1922 in der Zeitschrift Die Quelle aufging.144 Dass Hartmann
als Redakteur des Blattes fungierte und selbst Lehrer war, weist darauf hin, dass er zum
Kreis der Reformpädagogen in Wien gehörte. Dicker und Singer waren in ihrer Jugend
selbst Nutznießer der reformpädagogischen Bewegung in Wien gewesen, so hatte Dicker
sogar 1915/1916 Kurse bei Cizek an der Kunstgewerbeschule besucht. Die Verbindung
zu Hartmann muss sich somit über ihre Kontakte zu diesem Kreis ergeben haben.
Im Nachlass sind nur wenige Dokumente der Firma erhalten.145 Im brieflichen Aus-
tausch mit einer Ateliermitarbeiterin über die Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ geht
Franz Singer auf Hartmann in Zusammenhang mit einem neuen Geschäftslokal ein:
„Ob man nicht trachten sollte, falls das neue Lokal von Hartmann dafür brauchbar ist
(hast du es schon gesehen?) dort eine solche ständige Typenausstellung zu machen? Viele
fremde Sachen (M.R. Türen [...] Stahlfenster u.s.w.) haben noch keinen österreichischen
Vertreter. Wir könnten gemeinsam mit Hartmann diese Vertretungen übernehmen? Das
138 Auskunft Rita Tezzele, WÖA, E-Mail, 11.2.2016.
139 WStLA, Handelsgericht, A43 – A – Registerakten: A65/92 Prof. Hartmann und Co., Brief, Kammer
für Handel, Gewerbe und Industrie, 28.4.1922.
140 WStLA, Handelsgericht, A43 – A – Registerakten: A65/92 Prof. Hartmann und Co., Eintragung
einer Gesellschaftsfirma, 3.5.1922.
141 Siehe: Wiener Adreßbuch, Lehmanns Wohnungsanzeiger, Handel- und Gewerbetreibende Wiens
bzw. Branchenverzeichnis, 1927-1929: Prof. Hartmann & Co, VII. Schwenkg. 4, VII. Josefstädter
Str. 35, 1930–1933: Hartmann, Prof. & Co, VII. Schwenkg. 4. Ab 1934 erscheint die Firma nicht
mehr.
142 Siehe: WStLA, Handelsgericht, A43 – A – Registerakten: A65/92 Prof. Hartmann und Co.
143 Hartmann wurde am 15.4.1880 in Brumow in Mähren geboren und starb am 7.1.1973 in Wien.
Er studierte an der Kunstakademie in Wien und spezialisierte sich auf Landschaften und Veduten.
Siehe: Fuchs 1973, S. K148.
144 Bruckmüller 2004, S. 225.
145 AGS, Liste der Möbelfabrik Prof. Hartmann mit Möbeln für die Wohnung von Margit Téry-Busch-
mann und Hugo Buschmann, um 1929/1930.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482