Page - 376 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer

„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 376 Einem Bericht von Paul Singer zufolge stießen die Entwürfe für Palästina offenbar auf Skepsis bei den Verantwortlichen. In ei- nem undatierten Brief berichtet er seinem Bruder Franz: „Ich habe mit den Herren Julius Simon und S. Schocken die Frage der Skizzen für Einrichtung der Palästina- Land-Arbeiter Häuschen besprochen. [...] Die Frage wurde sofort aufgerufen: ist in Palästina praktisch solch ein Podium zu bauen: denn a) Bodenpreis ist billig, [...] b) Holz ist dort teuer. Bitte überlege, ob Du, ohne zu viel Zeit und Mühe eine Alterna- tive ohne Kasten auf Podium über Betten angehen kannst. Bitte gib jeweils Maß und Material an. Ich wurde gefragt wie hoch die Betten sind, was ich nicht weiss (Schocken zitierte und skizzierte sofort die Lösungen anderer, incl. Corbusier).“471 Franz Singer hatte bei seinen Entwürfen die Theorie sei- nes „modernen Wohnprinzips“ und seiner propagierten „Wohnkultur“ konsequent verfolgt. Darin forderte er nämlich den Bau „rationeller“ Häuser mit speziell dafür ent- worfenen „zweckmäßigen“ Möbeln.472 Die Kritik war jedoch durchaus berechtigt, denn obwohl Paul Singer in früheren Briefen bei Franz Singer stets um eine „Verkleinerung des Grundrisses“473 gebeten hatte – offenbar war dies jedoch nun nicht mehr gewünscht –, war der Entwurf für Palästina allein auf- grund des vorgesehenen Holzes wenig geeig- net. Kritik an den Podien wurde nicht nur von den Verantwortlichen in Palästina, sondern 471 AGS, Brief Paul Singer an Franz Singer, undatiert, um 1934. 472 Kölner Tageblatt 1931. 473 AGS, Brief Paul Singer an Franz Singer, 11.4.1934. Abb. 386: Wohnung Reisner, Blick von Zim- mer A in Zimmer B, 1929. © 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0