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„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien
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wiesen schwarze und rote Elemente auf. Auf
den Entwürfen sind für die Gänge dezen-
tere Farbtöne wie Hellblau und Mauve für
die Wände sowie Braun und Anthrazit ge-
sprenkelt für die Böden gewählt.526 In der
Diele waren farblich abgesetzte Linoleum-
Felder eingelassen, auf denen die Stühle po-
sitioniert waren.
Charakteristisch ist die starke Verbin-
dung des Hauses zum umgebenden Gar-
ten, in dem die AuftraggeberInnen auch
mehrere Hunde, Papageien und ein Rehkitz
hielten.527 Hiermit steht das Haus in Tradi-
tion der Wohnreform um 1900, bei der die
Gartengestaltung integraler Bestandteil war.
Neben Josef Hoffmann und Joseph Maria
Olbrich war vor allem Hermann Muthesius
ein starker Verfechter des Architekturgar-
tens nach englischem Vorbild.528 In seinem
1907 veröffentlichten Buch Landhaus und
Garten529 plädierte er dafür, „daß Garten
und Haus eine Einheit sind, deren Grund-
züge von demselben Geist ersonnen sein
müssen“530. Obwohl der umgebende Garten
bereits vor dem Bau des Gästehauses ange-
legt worden war, schlug Singer Hildegard
Auersperg-Hériot zwei Änderungen vor: Das Auflockern einer Gruppe von Sträuchern
und das Versetzen einer Hecke, damit der Garten „wesentlich grösser aussehen und das
neue Haus erst seinen Sinn“531 bekommen könnte.532
Durch den großzügigen Einsatz von Glasfenstern an der nordöstlichen und südöst-
lichen Seite war die Blickrichtung zum Garten und dem dahinterliegenden Prater aus-
526 Vgl. BHA, Architektursammlung, Franz Singer, Gästezimmer I., Inv.-Nr. 9360/1, Gästezimmer II.,
Inv.-Nr. 9360/2, Hinterer Gang Inv.-Nr. 2019/33.
527 BHA, Fotosammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 7898/320, 7898/322, 7898/335.
528 Schneider 2000, S. 7; Bergdoll 2002, S. 69.
529 Muthesius 1907.
530 Muthesius 1907, S. 25.
531 AGS, Brief Franz Singer an Hildegard Auersperg-Hériot, 30.5.1933.
532 AGS, Brief Franz Singer an Hildegard Auersperg-Hériot, 30.5.1933.
Abb. 412: Gästezimmer I, Gästehaus Au-
ersperg-Hériot, um 1931/32, Axonometrie,
Bleistift, Buntstift, Tempera, Bast, Papier,
Silberpapier auf Karton unter Kartonmaske,
41,6 x 30,9 cm, BHA.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482