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bung hinweist. Vielleicht dürfen entsprechend drei
Varianten Typ 2.1 (Kat. 33), 2.2 (Kat. 34) und 2.3
(Kat. 35 – 36) differenziert werden. Parallelen stam-
men aus Flavia Solva-Wagna275, Gleisdorf276,
Hasendorf und Obergralla277, Kapfenstein278, Krus-
dorf279, Rannersdorf 280 und Veržej281. Die ange-
führten Vergleichsbeispiele sprechen dafür, die als
Mindestlaufzeit bestimmte Zeitspanne der zweiten
Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. für Schüsseln, die
dem Typ 2 zuzurechnen sind, wenigstens auf das
gesamte 2. Jahr hundert n. Chr. auszudehnen.
Eine nähere funktionale Zuweisung ist nicht mög-
lich. Vielleicht darf nach der Größe an eine Funktion
in Zusammenhang mit der Vorratshaltung gedacht
werden? Der Nachweis von Pichung an einem Typ-
vertreter aus Flavia Solva-Wagna282 spricht eher
gegen eine Verwendung als Kochgeschirr. Zugehö-
rige Deckel fehlen im vorliegenden Fundmaterial.
Sämtliche Typvertreter aus der Periode II/II+ der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna sind dem redu-
zierend gebrannten Fabrikat II zuzurechnen.
Schüssel Typ 3 (Kat. 37 –
42)
Schüsseln vom Typ 3 sind einerseits durch ihre
exzeptionelle Größe, andererseits durch ein hori-
zontales bis leicht aufwärts geneigtes, mitunter
verdicktes und unterschnittenes Mündungsprofil
und die mehrfache Profilierung der Halszone durch
horizontale Grate und/oder Rillen gekennzeich-
net. Beide Merkmale finden Entsprechungen bei
den Töpfen vom Typ 1, weshalb wir vielleicht von
Bestandteilen einer zusammengehörenden Gefäß-
garnitur, die aus einem großen Topf und einer gro-
ßen Schüssel besteht, ausgehen dürfen. In diesem
Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass im
vorliegenden Fundmaterial lediglich mindestens
sechs Typvertreter der Schüssel Typ 3 immer-
hin mindestens 31 Typvertretern des Topfes Typ 1
gegenüberstehen. Sämtliche Schüsseln aus der
Brandschuttschicht, die Typ 3 zugeordnet werden
können, weisen Besen- oder Kammstrichdekor auf.
Dieser bedeckt wie bei den Töpfen vom Typ 1 in der
Regel den Gefäßkörper ab der Halszone bis zum
untersten Gefäßviertel. Der maximale Durchmesser
der Schüsseln liegt etwa am Übergang zum obers-
ten Viertel des Gefäßkörpers.
275 Fuchs 1980, 65 Taf. A 7, 4.
276 Jeschek 2000, 88 – 91 Abb. 1, 4; 2, 10 (Mitte 1.–Mitte 2. Jh. n.
Chr.) Taf. 75 (diese allerdings »grautonig fein«); Taf. 77.
277 Groh – Sedlmayer 2010, 106. 110 Abb. 20 (mittlere Kaiser-
zeit).
278 Urban 1984, 122 f. Taf. 65, C11 (Hügel 53, t.p.q.: Hadrian).
279 Hinker 2008a, 314. 322. 329 Taf. 1, 13.
280 Schrettle – Tsironi 2007, 267. 292 Taf. 3, 11 (SE 73); 267. 293
Taf. 4, 7 (SE 72); 272. 309 Taf. 20, 3
–
5 (SE 97, 100
–
170 n.
Chr.).
281 Koprivnik 1995, 87 Taf. 10, 5.
282 Fuchs 1980, 76 Taf. A 15, 1 (Gräberfeld Marburgerstraße,
Grab 53, Anfang 2. Jh. n. Chr.). Die großen Schüsseln Kat. 37 – 42 können dem
Typ 3 zugeordnet werden. Der definierte Typ 3 ist
dem Typ S 2b »Horizontalrandschüsseln« aus dem
Vicus von Kalsdorf ähnlich283. Der vom Boden bis
zur Mündung als durchgehend erhalten rekonstru-
ierbare Wandungsverlauf des Typvertreters Kat. 37
zeigt, dass Schüsseln von dieser Größe ohne Ein-
satz der Töpferscheibe von Hand aufgebaut und im
Boden- und Mündungsbereich partiell nachgedreht
wurden.
Vergleichsbeispiele stammen aus Grünau284, Fla-
via Solva-Wagna285, Hörbing286, Lassenberg287,
Osek288 und Rannersdorf289. Eine Ausdehnung des
Datierungsrahmens über die vorgeschlagene Min-
destlaufzeit hinaus ist nach den derzeit vorliegen-
den Typvertretern aus datierten Fundzusammen-
hängen nicht möglich. Die am Typvertreter Kat. 41
und auf der Parallele aus Rannersdorf angebrachte
Pichung spricht gegen eine Verwendung, zumindest
dieser Typvertreter, als Kochgeschirr.
Abgesehen vom Typvertreter Kat. 39, für den Hin-
weise auf eine gemischte Brennatmosphäre (Fab-
rikat I/II) vorliegen, sind sämtliche Schüsseln vom
Typ 3 aus der Periode II/II+ der Insula XLI von Fla-
via Solva-Wagna dem reduzierend gebrannten Fab-
rikat II zuzurechnen.
Weitere Schüsselformen ohne Typenbildung
(Kat. 43 – 44)
Bei verschiedenen Schüsselformen wurde wegen
des fragmentarischen Erhaltungszustandes und des
geringen Nachweises auf eine Typenbildung ver-
zichtet.
Die Schüssel Kat. 43 ist grundlegend den Schüsseln
vom Typ 2 formal ähnlich. Das Mündungsprofil ist
jedoch nach innen verdickt und weist keinen ausge-
prägten Knick knapp unter dem Rand auf, weshalb
eine Zuweisung an Typ 2 nicht gerechtfertigt ist.
Die Schüssel Kat. 44 ist durch das sowohl nach
außen als auch nach innen leicht verdickte Mün-
dungsprofil gekennzeichnet. Das Randprofil ent-
spricht jenem der »Dreifußschüssel 1« aus dem
Vicus von Saaz290. Eine weitere Parallele liegt aus
283 Pammer-Hudeczek 2009, 374 f. Typentaf. 9; 394. 449 Taf. 42,
23 (Grube 7, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.).
284 Fürnholzer – Hinker (in Druck) (Schüssel mit sichelförmigem
Rand, Grünau Kat. 16, 2. Jh. n. Chr.).
285 Groh 1996, 189 Taf. 15, K20 (Insula XLI, Grube G36, Baupe-
riode I+, um 150/160 n. Chr.).
286 Steinklauber 1991, 179 f. Taf. 1, 2. Vgl. Fürnholzer – Hinker
(in Druck).
287 Lamm 2000, 58 Nr. 52.
288 Koprivnik 1995, 81 Taf. 6, 6.
289 Schrettle – Tsironi 2007, 266. 291 Taf. 2, 3 (SE 33, Anm.: als
Topf angesprochen).
290 Sedlmayer 2006, 142 f. Abb. 97 (bes. Periode 4,
170/180 – 230 n. Chr., mit weiteren Nachweisen aus Kapfen-
stein, St. Martin an der Raab und Velenik).
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321