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Gleisdorf vor291. Weitgehend ähnliche Schüsseln
aus Kleinklein werden mit einer spätrömischen oder
spätantiken Zeitstellung in Verbindung gebracht292.
Dass es sich bei der vorliegenden Schüssel Kat. 44
um eine jüngere Intrusion handelt, ist freilich nicht
auszuschließen. Auch wegen der Vergleichsbei-
spiele aus Gleisdorf und Saaz wäre die vorgeschla-
gene Datierung für die Belege aus Kleinklein jedoch
zu überdenken.
Kanne Typ 1 (Kat. 45)
Die Kanne Kat. 45 ist durch den akzentuierten Aus-
guss, einen konkaven Halseinzug und mehrere
Bündel horizontaler Rillen, die den Gefäßkörper
gliedern, gekennzeichnet. Bemerkenswert ist die
Anbringung eines Bündels horizontaler Rillen an
der Innenseite der Mündung. Es dürfte sich dabei
weniger um ein Dekorelement, sondern eher um
ein funktionales Aufrauen dieser Zone zur besse-
ren Haftung eines Verschlusses aus organischem
Material, vielleicht eines Stöpsels aus Kork, han-
deln. Der knapp unter dem Zentrum des Halseinzu-
ges angebrachte horizontale Grat darf vielleicht als
Markierung der maximalen Füllmenge der Kanne
interpretiert werden. Das Keramikgefäß ist sorgfäl-
tig scheibengedreht. Bei der vorliegenden Kanne
Kat. 45 dürfte es sich wohl um einen Bestandteil
des Tafelgeschirrs und/oder um ein Vorratsgefäß
handeln.
Einhenkelkrug Typ 1 (Kat. 46
– 48), Variante 1.1
(Kat. 49 – 50)
Die Fragmente großer Einhenkelkrüge Kat. 46 – 47
werden dem Typ 1 zugeordnet. Dieser ist durch ein
nach außen verdicktes Mündungsprofil, einen Stab-
henkel und den bikonischen Gefäßkörper gekenn-
zeichnet. Bauch- und Bodenbereich des Gefäßkör-
pers dürften nach einem Fragment aus Kapfenstein
zu rekonstruieren sein293. Größe und Volumen der
Gefäße lassen neben einer möglichen Verwendung
als Tafelgeschirr auch eine Funktion als Vorratsge-
fäß plausibel erscheinen.
Weitere Parallelen stammen aus Flavia Solva-
Wagna294, Rannerdorf295 und Riegersburg296. Die
angeführten Nachweise von datierten Typvertre-
tern erlauben eine plausible Ausdehnung der vor-
geschlagenen Mindestlaufzeit auf das gesamte
2. Jahr hundert n. Chr. und vielleicht bis gegen
291 Jeschek 2000, Taf. 90, 191.
292 Gutjahr – Roscher 2004, 481. 483 f. 491 Taf. 4, 26 – 27.
293 Urban 1984, 103 – 105 Taf. 60, B5 (Hügel 37, 2. Jh. n. Chr.).
294 Fuchs 1980, 145, Nr. 2; Taf. A 26, 3 (Gräberfeld Spitals-
gelände, Grab 189, 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.). Seehauser
2007, 156. 184 f. Taf. 22 – 23, 122 – 125 (Insula XLIII, SE 3:
300 – 360/70 n. Chr., SE 9, SE 11: Mitte 3. Jh. n. Chr.).
295 Schrettle – Tsironi 2007, 271. 305 Taf. 16, 6 (SE 97, 1. Hälfte
2. Jh. n. Chr.).
296 Bauer 1997, 89. 94. 143 Taf. 2, R38. Mitte des 3. Jahr hunderts n. Chr. Bemerkenswert
sind zwei, von Details der Randbildung abgese-
hen, sehr ähnliche Krüge, die aus dem 179 n. Chr.
abgebrannten Holz-Erde-Lager von Celemantia-Iža
stammen und damit die zeitlich am engsten datier-
ten Parallelen bilden297. Ein vergleichbarer Einhen-
kelkrug liegt auch aus einer wohl während des zwei-
ten Drittels des 2. Jahr hunderts n. Chr. (160/170 n.
Chr. [?]) erfolgten Verfüllung eines Kanals im Auxili-
arkastell von Carnuntum-Petronell vor298. Ähnliche
große Einhenkelkrüge sind in Poetovio-Ptuj nicht
nur nachgewiesen299, sondern dürften dort auch
erzeugt worden sein300, wie Belege aus den Abfall-
schichten einer Töpferei nahelegen.
Da auch die Vergleichsbeispiele aus Grabbefunden
keine passenden Deckel aus Keramik aufweisen,
ist davon auszugehen, dass die Verschlüsse der
großen Einhenkelkrüge aus organischem Material,
z. B. Holz oder Kork, gefertigt waren.
Das Henkelfragment Kat. 48 dürfte einem großen
Krug vom Typ 1 zuzurechnen sein. Der Gefäßauf-
bau von Kat. 49 legt eine Ansprache als Krug nahe.
Nach dem gegenüber Typ 1 abweichend gestalte-
ten Mündungsprofil erfolgt eine Zuweisung an die
Variante 1.1. Diese ist durch ein deutlicher aufwärts,
nach außen orientiertes, verdicktes Mündungsprofil
gekennzeichnet. Entsprechend dem Typ 1 weist die
Variante 1.1 horizontale Rillen über der bikonisch-
konvexen Zone des Gefäßkörpers auf. Nach der
formalen Anlehnung von Kat. 50 an Kat. 49 sowie
den vergleichbaren Abmessungen und Proportio-
nen ist eine Zuordnung des Mündungsfragments
Kat. 50 an die Variante 1.1 gerechtfertigt. Eine Par-
allele ist in Poetovio-Ptuj nachgewiesen301. Formal
ähnliche Einhenkelkrüge und -kannen aus einem
lokalen, oxidierend gebrannten Fabrikat wurden
in Emona-Ljubljana aufgedeckt. Die als Verfüllung
eines Töpferofens deponierten Gefäße wurden von
der zweiten Hälfte des 1. bis in die erste Hälfte des
2. Jahr hunderts n. Chr. datiert302.
Die vorliegenden Einhenkelkrüge vom Typ 1 und der
Variante 1.1 sind hinsichtlich der nachgewiesenen
Fabrikate heterogen. Sowohl Fabrikat I (Kat. 49)
als auch Fabrikat II (Kat. 46 – 47) sowie Fabrikat I/II
(Kat. 48 und 50) sind belegt.
297 Rajtár 1992, 162. 166 Abb. 18, 3 – 4. Kuzmová 1997, 48 f.
Abb. 2 – 3 (rechte Spalte, unterste Reihe links).
298 Jilek 1994, 394. 402, Nr. 10.
299 Kujundžić 1982, 75 Taf. 24, 5 (Grab 321).
300 Curk u. a. 1984, 62 f. 66 Abb. 3, links unten (Komplex A, ab
Ende 1. Jh. n. Chr. [?]).
301 Istenič – Tomanič Jevremov 2004, 321 f. 341 Taf. 7, 37 (ohne
Spuren, dass es sich um einen Fehlbrand aus der Produktion
in Spodnja Hajdina handelt).
302 Istenič – Plesničar-Gec 2001, 141 – 144 Abb. 5. 6, 1 – 2.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321