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Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Page - 123 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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123 der Auffindung genau zu dokumentieren, um die Art der Deponierung – intentional oder nicht – zu defi- nieren. Im Gegensatz zu Einzelfunden im genannten Sinn stehen aufgrund ihres inhaltlichen Zusammen- hangs Hortfunde, bei denen eine gezielte Selek- tion meist höherwertiger Münzen stattgefunden hat. Münzen wurden also gezielt dem Geldumlauf (für eine gewisse Zeit) entzogen, um Rücklagen oder Ähnliches zu bilden. Dies bedeutet, dass in der Regel ein qualitativer Unterschied zu ›Einzelfunden‹ besteht. Hortfunde können auch nur aus einem ein- zigen Objekt von höherem Wert bestehen672. Die Münzindices von Hortfunden weisen meist ein ein- heitliches Muster auf: frühe, ältere Münzen sind in geringen Zahlen vertreten. Danach erfolgt ein kon- tinuierlicher Anstieg bis zu einem Peak, der sich aus Stücken bildet, die einige Jahre vor der jüngs- ten im Hort vertretenen Prägung liegen. Anschlie- ßend gehen die Verlustzahlen relativ schnell zurück, wobei die Zeitspanne des Rückgangs kürzer ist als jene vor dem Peak; jüngere Münzen sind nur noch in geringen Quantitäten vorhanden673. Wenn wir annehmen, dass die Münzen von einer einzigen Person durch gezielte Selektion dem gän- gigen Geldumlauf entzogen werden, können wir in der chronologischen Zusammensetzung des jeweili- gen Hortes ein Abbild des zirkulierenden Volumens erkennen. Allerdings muss bedacht werden, dass es sich um bewusste Selektion handelt. Es wurde also bei der Selektion auf die Qualität der Stücke geachtet. Darin liegt auch der Unterschied zu den Einzelfunden, die unabsichtliche Verluste darstel- len. Hortfunde ergänzen das aus den Einzelfunden gewonnene Bild des Zirkulationsvolumens hin- sichtlich ihrer qualitativen, nicht ihrer quantitativen Zusammensetzung. Die Zeitspanne zwischen der ältesten und der jüngsten Münze wird in der Literatur oft als ›Hor- tungsspanne‹ bezeichnet. Manche Horte enthalten aber Material aus mehreren Jahrhunderten, d. h., die Hortung konnte kaum von einer einzigen Person durchgeführt worden sein. Wenn man sich aller- dings die Abnutzungsgrade der Münzen ansieht, kann man die Hortungsdauer mitunter ein wenig eingrenzen674. Meist sind die älteren Stücke stärker abgenutzt als die jüngeren, was als Hinweis dafür dient, dass diese weit über ihren Emissionszeit- punkt hinaus zirkuliert sind. Wenn jüngere Münzen demgegenüber fast prägefrisch sind und die älteren 672 Zur Definition von Hort- und Schatzfund s. Haupt 2001, 10  –  16. 673 Die Schlussmünze gibt lediglich einen Anhaltspunkt für die Verbergung; Haupt 2001, 90. Als Beispiele für Markomannen- zeitliche Hortfunde: Carnuntum II, Carnuntum III, Illmitz, etc.; s. Ruske 2007, 397  –  403; Dembski 1977, 15  –  21. 674 Die Klassifizierung der Abnutzung richtet sich nach dem Schema des IFS 1995. entsprechende Abnutzungsspuren aufweisen, wird die Hortungsspanne kürzer sein als die Zeitspanne zwischen der ältesten und der jüngsten Münze675. Für die Analyse und Interpretation der Einzelfunde eines Fundkomplexes ist der Abnutzungsgrad der Münzen ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da davon eine längere Zirkulationsdauer abgelesen werden kann. Allerdings setzen sich Einzelfunde meist aus Buntmetall-Nominalien zusammen, die oft starker Korrosion ausgesetzt sind, sodass die Abnutzung nicht mehr genau festgestellt werden kann. Es stellt sich nun noch die Frage, ob die Ver- lustdiagramme von Einzelfunden die gleiche Form aufweisen wie jene von Hortfunden und welche Aussagen daraus ableitbar sind. Als Beispiel soll hier der kürzlich ausgewertete Fundbestand der Straßenstation von Nemescsó an der Bernsteinstraße angeführt werden (Diagramm Abb. 32)676. Es handelt sich zwar nur um eine sehr kleine Zahl an Fundmünzen, doch konnten daraus relativ präzise Aussagen gewonnen werden. Die regulären Münzen erstrecken sich von Traianus bis Commodus. Sie sind alle sehr stark abgenutzt. Hinzu kommt eine im Verhältnis dazu recht beacht- liche Anzahl von Limesfalsa, deren Abnutzungsgrad nicht so hoch ist wie jener der regulären Stücke. Münzen der Severerzeit sind nicht mehr präsent. Die statio wurde laut S. Groh um 150/160 n. Chr. errich- tet677. Es liegen also drei entscheidende Faktoren vor, die die Zirkulationszeit vor Ort genauer eingren- zen können. Die recht stark abgenutzten Reichs- prägungen erreichen ihren Höhepunkt unter Mar- cus Aurelius und Commodus. Limesfalsa wurden erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr., wahrscheinlich sogar erst in den letzten Jahr- zehnten des 2. Jahr hunderts n. Chr. produziert678. Münzen des Septimius Severus sind noch nicht angekommen (›coindrift‹). Freilich kann die Zirkula- tion vor Ort nicht auf Jahre eingegrenzt werden, wir können aber mit einiger Bestimmtheit behaupten, dass der Bestand ein zirkulierendes Volumen der Zeit zwischen Commodus und den ersten Regie- rungsjahren des Septimius Severus, also um ca. 180/195 n. Chr., wiedergibt. Wir sehen also, dass sich selbst bei einem so geringen Fundbestand die charakteristische Verteilung im Diagramm nieder- 675 Auf münzpolitische Maßnahmen, wie beispielsweise Ge- wichts- und Feingehaltsverringerung, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Dass sie eine entscheidende Rolle be- züglich der Zusammensetzung eines Hortes spielen, versteht sich. Auch die Legionsdenare, die je nach Kontext differen- ziert zu betrachten sind, seien hier nur als Addendum am Rande erwähnt. 676 Schachinger 2013. 677 Groh u. a. 2010. 678 M. Pfisterer konstatiert eine epidemische Verbreitung dieser Falsagattung im 1. Drittel des 3. Jhs. n. Chr.; Pfisterer 2007, 672  –  675.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Title
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Author
Christoph Hinker
Publisher
Österreichisches Archäologisches Institut
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
344
Keywords
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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