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der Auffindung genau zu dokumentieren, um die Art
der Deponierung – intentional oder nicht – zu defi-
nieren.
Im Gegensatz zu Einzelfunden im genannten Sinn
stehen aufgrund ihres inhaltlichen Zusammen-
hangs Hortfunde, bei denen eine gezielte Selek-
tion meist höherwertiger Münzen stattgefunden hat.
Münzen wurden also gezielt dem Geldumlauf (für
eine gewisse Zeit) entzogen, um Rücklagen oder
Ähnliches zu bilden. Dies bedeutet, dass in der
Regel ein qualitativer Unterschied zu ›Einzelfunden‹
besteht. Hortfunde können auch nur aus einem ein-
zigen Objekt von höherem Wert bestehen672. Die
Münzindices von Hortfunden weisen meist ein ein-
heitliches Muster auf: frühe, ältere Münzen sind in
geringen Zahlen vertreten. Danach erfolgt ein kon-
tinuierlicher Anstieg bis zu einem Peak, der sich
aus Stücken bildet, die einige Jahre vor der jüngs-
ten im Hort vertretenen Prägung liegen. Anschlie-
ßend gehen die Verlustzahlen relativ schnell zurück,
wobei die Zeitspanne des Rückgangs kürzer ist als
jene vor dem Peak; jüngere Münzen sind nur noch
in geringen Quantitäten vorhanden673.
Wenn wir annehmen, dass die Münzen von einer
einzigen Person durch gezielte Selektion dem gän-
gigen Geldumlauf entzogen werden, können wir in
der chronologischen Zusammensetzung des jeweili-
gen Hortes ein Abbild des zirkulierenden Volumens
erkennen. Allerdings muss bedacht werden, dass
es sich um bewusste Selektion handelt. Es wurde
also bei der Selektion auf die Qualität der Stücke
geachtet. Darin liegt auch der Unterschied zu den
Einzelfunden, die unabsichtliche Verluste darstel-
len. Hortfunde ergänzen das aus den Einzelfunden
gewonnene Bild des Zirkulationsvolumens hin-
sichtlich ihrer qualitativen, nicht ihrer quantitativen
Zusammensetzung.
Die Zeitspanne zwischen der ältesten und der
jüngsten Münze wird in der Literatur oft als ›Hor-
tungsspanne‹ bezeichnet. Manche Horte enthalten
aber Material aus mehreren Jahrhunderten, d. h.,
die Hortung konnte kaum von einer einzigen Person
durchgeführt worden sein. Wenn man sich aller-
dings die Abnutzungsgrade der Münzen ansieht,
kann man die Hortungsdauer mitunter ein wenig
eingrenzen674. Meist sind die älteren Stücke stärker
abgenutzt als die jüngeren, was als Hinweis dafür
dient, dass diese weit über ihren Emissionszeit-
punkt hinaus zirkuliert sind. Wenn jüngere Münzen
demgegenüber fast prägefrisch sind und die älteren
672 Zur Definition von Hort- und Schatzfund s. Haupt 2001,
10 – 16.
673 Die Schlussmünze gibt lediglich einen Anhaltspunkt für die
Verbergung; Haupt 2001, 90. Als Beispiele für Markomannen-
zeitliche Hortfunde: Carnuntum II, Carnuntum III, Illmitz, etc.;
s. Ruske 2007, 397 – 403; Dembski 1977, 15 – 21.
674 Die Klassifizierung der Abnutzung richtet sich nach dem
Schema des IFS 1995. entsprechende Abnutzungsspuren aufweisen, wird
die Hortungsspanne kürzer sein als die Zeitspanne
zwischen der ältesten und der jüngsten Münze675.
Für die Analyse und Interpretation der Einzelfunde
eines Fundkomplexes ist der Abnutzungsgrad der
Münzen ebenfalls von entscheidender Bedeutung,
da davon eine längere Zirkulationsdauer abgelesen
werden kann. Allerdings setzen sich Einzelfunde
meist aus Buntmetall-Nominalien zusammen, die
oft starker Korrosion ausgesetzt sind, sodass die
Abnutzung nicht mehr genau festgestellt werden
kann. Es stellt sich nun noch die Frage, ob die Ver-
lustdiagramme von Einzelfunden die gleiche Form
aufweisen wie jene von Hortfunden und welche
Aussagen daraus ableitbar sind.
Als Beispiel soll hier der kürzlich ausgewertete
Fundbestand der Straßenstation von Nemescsó an
der Bernsteinstraße angeführt werden (Diagramm
Abb. 32)676. Es handelt sich zwar nur um eine sehr
kleine Zahl an Fundmünzen, doch konnten daraus
relativ präzise Aussagen gewonnen werden. Die
regulären Münzen erstrecken sich von Traianus
bis Commodus. Sie sind alle sehr stark abgenutzt.
Hinzu kommt eine im Verhältnis dazu recht beacht-
liche Anzahl von Limesfalsa, deren Abnutzungsgrad
nicht so hoch ist wie jener der regulären Stücke.
Münzen der Severerzeit sind nicht mehr präsent. Die
statio wurde laut S. Groh um 150/160 n. Chr. errich-
tet677. Es liegen also drei entscheidende Faktoren
vor, die die Zirkulationszeit vor Ort genauer eingren-
zen können. Die recht stark abgenutzten Reichs-
prägungen erreichen ihren Höhepunkt unter Mar-
cus Aurelius und Commodus. Limesfalsa wurden
erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n.
Chr., wahrscheinlich sogar erst in den letzten Jahr-
zehnten des 2. Jahr hunderts n. Chr. produziert678.
Münzen des Septimius Severus sind noch nicht
angekommen (›coindrift‹). Freilich kann die Zirkula-
tion vor Ort nicht auf Jahre eingegrenzt werden, wir
können aber mit einiger Bestimmtheit behaupten,
dass der Bestand ein zirkulierendes Volumen der
Zeit zwischen Commodus und den ersten Regie-
rungsjahren des Septimius Severus, also um ca.
180/195 n. Chr., wiedergibt. Wir sehen also, dass
sich selbst bei einem so geringen Fundbestand die
charakteristische Verteilung im Diagramm nieder-
675 Auf münzpolitische Maßnahmen, wie beispielsweise Ge-
wichts- und Feingehaltsverringerung, wird an dieser Stelle
nicht eingegangen. Dass sie eine entscheidende Rolle be-
züglich der Zusammensetzung eines Hortes spielen, versteht
sich. Auch die Legionsdenare, die je nach Kontext differen-
ziert zu betrachten sind, seien hier nur als Addendum am
Rande erwähnt.
676 Schachinger 2013.
677 Groh u. a. 2010.
678 M. Pfisterer konstatiert eine epidemische Verbreitung dieser
Falsagattung im 1. Drittel des 3. Jhs. n. Chr.; Pfisterer 2007,
672 – 675.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321