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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 187 -
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Seite - 187 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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187 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung Wie im Kapitel 4 »Forschungsmeinungen« gezeigt werden konnte, besteht seitens der Forschung die Tendenz, bei der historischen Deutung von Zerstö- rungsbefunden, regionale und überregionale ver- gleichbare und einschlägig interpretierte Befunde einzubeziehen. Diese in der archäologischen For- schung herkömmliche Vorgehensweise mittels Ana- logieschluss birgt jedoch im vorliegenden Fall der Deutung von Befunden als mögliche Spuren der Markomannenkriege im Südostalpenraum die Prob- lematik, dass vielfach ältere Forschungsmeinungen unkritisch integriert wurden. Schließlich führt genau dieses Prozedere zu einer stets wachsenden Dichte an Zerstörungsbefunden, die (vermeintlich) mit den Markomannenkriegen in Zusammenhang gebracht werden. Ergebnis dieser methodisch unsauberen Verkettung von Interpretationen sind vorgezeich- nete Deutungsmuster, die letztendlich ein falsches Bild liefern. Die (tatsächlich nicht gegebene) Dichte von Zerstörungsbefunden, die mit den Markoman- nenkriegen zu verknüpfen seien, wird in Überblicks- arbeiten zum Thema zur Grundlage eines (tatsäch- lich von archäologischer Seite nicht gesicherten) historischen Faktums weitreichender Zerstörungen zur Zeit der Markomannenkriege im Ostalpenraum gemacht. Wir sollten deshalb in diesem Dilemma weniger die Anzahl der (meistens ohnehin nicht oder nur vermeintlich) bewährten Fälle als Argu- ment heranziehen, sondern vielmehr die »Strenge der Prüfung« zum Kriterium erheben1131. Wie im Kapitel 15 »Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien« gezeigt wird, lassen sich für das Einzugs- gebiet der Bernsteinstraße im Ostalpenraum zwar zahlreiche Zerstörungsbefunde der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. anführen, von diesen ist jedoch bislang kein einziger zwingend mit kriegeri- schen Auseinandersetzungen der Markomannen- kriege zu verknüpfen und/oder die entsprechende historische Deutung kann der geforderten ›strengen Überprüfung‹ nicht standhalten. Lediglich für Aqui- leia dürfen wir nach den Schriftquellen von einer Belagerung ausgehen (vgl. Kap. 2). Der archäologi- sche Nachweis dieser schriftlich überlieferten Bela- gerung, etwa mit der Aufdeckung von Anlagen wie sie für Dura Europos vorliegen1132, konnte bislang jedoch nicht erbracht werden. 1131 Vgl. Popper 2005, 254. 1132 James 2005, 189  –  206; James 2010, 30  –  39. 16.11 Fragenkatalog und Synthese Die zentralen Themen, um die sich die vorliegende Diskussion bewegt, dürfen schließlich zu einem Fra- genkatalog zusammengefasst werden, auf den es im Rahmen einer methodisch sauberen Diskussion über die Rekonstruktion historischer Zusammen- hänge, d. h. im vorliegenden Fallbeispiel konkret die Verbindung der schriftlich überlieferten kriegeri- schen Auseinandersetzungen mit archäologischen Befunden von großflächigen Zerstörungsnach- weisen, einzugehen gilt. Voraussetzung ist einer- seits die Quellenbewertung und -kritik, sowohl der Schriftquellen als auch der nichtschriftlichen Zeug- nisse (archäologische Befunde), und andererseits eine Vorgehensweise, die sowohl Pro als auch Kon- tra berücksichtigt. Als zeitliche Prämisse gilt, dass die absolutchronologische Einordnung des Befun- des ausreichend exakt sein muss, um eine grund- sätzliche Verbindung mit historischen Ereignissen zu erlauben. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Entschei- dungsfindung im Zusammenhang mit der histori- schen Beurteilung oder Interpretation eines Befun- des stark von der Aussagekraft des Befundes hinsichtlich der jeweils spezifischen Fragestellung abhängig ist. Der vorliegende Kriterienkatalog kann deshalb auch in Zusammenhang mit der vorliegen- den Fallstudie kein Instrument sein, das zur Ermitt- lung eines einzigen konkreten Ergebnisses dient. Vielmehr handelt es sich um ein Werkzeug, das es erlaubt, mögliche Optionen einer historischen Inter- pretation zu erwägen und diese einzuschätzen. Kriterien: ▪ Mit welchen natürlichen oder anthropogenen Ursachen des zu deutenden Ereignisses ist grundsätzlich zu rechnen? ▪ Erlaubt die annähernde Vollständigkeit des Fundmaterials den Schluss, dass das Ereignis plötzlich und unvorhergesehen eingetreten ist? ▪ Sind Militaria im Fundmaterial vorhanden und wie setzen sich diese zusammen (Angriffs-, Schutzwaffen etc.)? Welche alternativen Erklä- rungen zum gehäuften Auftreten von Militaria können angeboten werden (z. B. Wiederverwer- tung von Altmetall)? Können Militariafunde als spezifisch römisch angesprochen oder als militä- rische Ausrüstungsgegenstände von feindlichen ›Fremdvölkern‹ identifiziert werden? ▪ Sind im Fundmaterial menschliche Überreste vorhanden und weisen diese Verletzungen auf, die als Spuren von Kampfhandlungen zu deuten sind? ▪ Liegt für den dokumentierten Bereich eine Sied- lungskontinuität vor? Orientiert sich diese an
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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