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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 181 -
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Seite - 181 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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181 che augenblickliche Ereignisse, die vom Blitzschlag bis zur Brandschatzung oder Brandstiftung reichen, angeführt werden können. 16.4 Militaria Komplizierter wird die Diskussion in Zusammen- hang mit Schlüssen, die vielleicht aus dem Vor- kommen oder Fehlen spezifischer Funde zu zie- hen sind. Letztere Vorgehensweise (ex tacendo) ist ohnehin problematisch. Grundsätzlich wären in diesem Zusammenhang verschiedene Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Kap. 5. 7). Weder spezifisch germanische noch römische Militaria, die konkretere Hinweise auf Kampf- handlungen liefern könnten, sind im Fundmaterial nachzuweisen. Bezüglich des Fehlens römischer Militaria mag zu Recht eingeräumt werden, dass diese in einer provinzialrömischen Zivilstadt wie Flavia Solva-Wagna auch nicht gehäuft zu erwar- ten wären. Römische Militaria liegen etwa aus den Zerstörungshorizonten im Holz-Erde-Lager von Celemantia-Iža oder im Kastell und Vicus von Regensburg-Kumpfmühl vor (vgl. Kap. 15). A. Faber geht für Regensburg-Kumpfmühl, wo vor allem Geschossspitzen in den großflächigen Brand- schichten nachgewiesen sind, davon aus, dass es sich bei den Militaria aufgrund ihrer Menge nicht um Altmetall handelt. Auch E. Deschler-Erb führt für Zerstörungshorizonte »unfriedlicher Ursache« die starke Fragmentierung und Kleinteiligkeit von Militaria und die ungleiche Verteilung zu Gunsten der Angriffswaffen für den Fernkampf an1080. Eine Geschossspitze sowie ein Lanzenschuh, die aus Brandschutt in Aquae Helveticae-Baden vorliegen, werden mit der Brandschatzung des Vicus durch die legio XXI Rapax im Jahr 69 n. Chr. in Verbindung gebracht1081. S. Martin Kilcher betrachtet Milita- ria aus Schuttschichten als Zeugnisse für »heftige Kämpfe« in der Oberstadt von Augst während des ausgehenden 3. Jahr hunderts n. Chr.1082. Militaria aus einer Brandschicht des beginnenden 2. Jahr- hunderts n. Chr. in Sarmizegetusa wurden mit Kampfhandlungen, eventuell dem Beginn des 2. Dakerkrieges Traians, in Verbindung gebracht1083. Mit Brandschichten, die weitgehende Zerstörungen knapp nach der Mitte des 3. Jahr hunderts n. Chr. für die Villenanlage von Biberist-Spitalhof bele- gen, verknüpfte Funde von Militaria (Lanzenspitze und Lanzenschuh, Widerhakenspeer [?]) sowie 1080 Deschler-Erb 2005, 50 Abb. 6. 1081 Schucany 1996, 32. 156 f. Abb. 156; 457. 632; Schucany 1998, 251 f.; Schucany 2005, 60. 1082 Martin-Kilcher 1985, 194. Dazu auch: Deschler-Erb – Desch- ler-Erb 2001, 23 f.; Schatzmann 2005, 217  –  226. 1083 Găsdac 2009, 125 f. menschlichen Skelettbestandteilen (Halswirbel) werden mehrheitlich als deutliche Hinweise kriege- rischer Auseinandersetzungen oder eines Überfalls (Brandschatzung) interpretiert1084. Bemerkenswert ist, dass für die Nachweise von Waffen aus dieser ›zivilen‹ Siedlungsstelle auch an eine Bewaffnung der ansässigen ländlichen Bevölkerung und an die Rekrutierung von Wachmannschaften gedacht wird1085. Mag für die Villa von Biberist-Spitalhof aufgrund der Brandschichten in Kombination mit Militaria und Skelettresten eine Deutung des Befun- des in Zusammenhang mit einem Überfall nahe- liegen, so bleibt schließlich für diesen und andere ›zivile Befunde‹ von Brand- oder Zerstörungsschutt die Frage offen, ob aus diesen spezifischen Fund- zusammenhängen geborgene Militaria, speziell Angriffswaffen, überhaupt im Rahmen der Genese des Befundes zum Einsatz gekommen waren oder sich angesichts der generell unsicheren Zeiten zum Zeitpunkt eines ›natürlichen‹ Schadensfeuers lediglich im jeweiligen Haushalt befanden. Letzt- lich vermögen weder vereinzelte Nachweise römi- scher Militaria noch menschliche Skelettreste ohne eindeutige Hinweise auf Gewalteinwirkung (vgl. Kap. 16.5) oder eine Kombination beider Katego- rien im Zusammenhang mit Zerstörungsbefunden ein Überfallszenario oder eine kriegerische Ausein- andersetzung stringent zu belegen. Wie die zuletzt vorgelegten Beispiele Aventicum-Avenches, Colo- nia Ulpia Traiana-Xanten oder Nida-Frankfurt/Hed- dernheim zeigen, pendelt die Diskussion bezüglich der (kultur-) historischen Interpretation römischer Militaria aus vorwiegend zivil geprägten Siedlun- gen zwischen dem Nachweis der permanenten oder temporären Anwesenheit von Soldaten oder Veteranen, zivilem Waffenbesitz, Waffenproduktion oder Wiederverwertung und Reparatur von Militaria sowie der Deutung als Belege für Kampfhandlun- gen1086. Im Zusammenhang mit Militaria, die nicht zu den Angriffs- oder Schutzwaffen zu zählen sind, wäre auch auf die Möglichkeit der Produktion ziviler Handwerker für das Militär als Auftraggeber hinzu- weisen. Eine Interpretationsmöglichkeit, die auch für die aus Insula XLI vorliegenden Gussformen für Buntmetallartefakte mit Trompetenornamentik in Betracht gezogen wurde1087. Mag das Fehlen vergleichbarer Militaria wie in Regensburg-Kumpfmühl oder Celemantia-Iža in Flavia Solva-Wagna noch einigermaßen plausibel mit dem Hinweis, es handle sich um eine Zivilsied- lung ohne benachbarte Militäranlage erklärt wer- 1084 Schucany 2006, 269; Huber 2006, 495 f.; Kaufmann 2006, 686. 1085 Huber 2006, 495 f. 1086 Voirol 2001, 31  –  40; Lenz 2006, 103  –  106; Reis 2010, 236  –  245. Vgl. dazu auch: Fischer 2001, 13  –  18; Schucany 2005, 58. 1087 Vgl. Kap. 11.1.2.6; 11.1.3.2.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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