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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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45 den Fundmaterial. Es darf vielleicht davon ausge- gangen werden, dass entsprechendes Werkzeug auch in verbranntem und deshalb unbrauchbarem Zustand noch einen gewissen Metallwert besaß und im Zuge möglicher Brandbekämpfung gegenüber Keramikgefäßen bevorzugt geborgen wurde. Die Tatsache, dass insgesamt kaum größere Metallarte- fakte (20+ cm) im Fundmaterial vorliegen, darf wohl eher mit dem Durchsuchen des Brandschutts nach (wieder)verwertbaren Materialien in Zusammen- hang gebracht werden als mit einer Bergung oder Plünderung, die sich eher auf eine Auswahl von Gegenständen bezogen haben mag. Das Überse- hen von Metallgegenständen dieser Größe während der Ausgrabung darf wohl ausgeschlossen werden. Dass auch verbrannten Eisenteilen ein gewisser Wert beigemessen wurde, zeigt ein Depotfund in Rapis-Schwabmünchen, der zum überwiegenden Teil aus verbrannten Baubeschlägen besteht, die offenbar aus den Überresten der während der ers- ten Hälfte des 3. Jahr hunderts n. Chr. abgebrannten Vicusbebauung aussortiert worden waren145. Nach der Zusammensetzung der Funde wird auch für eine Brandschicht der Mitte des 3. Jahr hunderts n. Chr. in Riegel von einer systematischen Durchsu- chung nach Metallobjekten nach der Katastrophe ausgegangen146. Nach der Bildung des vorliegenden Befundes durch Brand ist davon auszugehen, dass Artefakte aus organischen Materialien, besonders Holz und Horn, mit Ausnahme von Bein und einigen Pflanzenres- ten, primär dem Feuer zum Opfer gefallen sind. Eventuell unvollständig verbrannte Reste könnten in Folge durch natürliche Formationsprozesse ver- gangen sein. Die vorliegenden verkohlten Pflan- zenreste (vgl. Kap. 11.2.3) zeigen an, dass durch- aus mit unterschiedlichen Brandbedingungen und -intensitäten oder unterschiedlichen Lagerungsbe- dingungen und Milieus während des Brandes, die sich entsprechend differenziert auf die betroffenen Artefakte auswirkten, zu rechnen ist. In Zusammen- hang mit den Pflanzenresten könnte etwa auf eine unvollständige Verbrennung oder eine Lage abseits der Flammen, z. B. unter Versturz, oder eventuell auf ein die Verkohlung begünstigendes schwelen- des Ausklingen des Brandes und ähnliche Phäno- mene zu schließen sein147. In diesem Zusammenhang ist auch auf die an den Beinfunden erkennbaren Brandspuren hinzuwei- sen. Diese belegen unterschiedliche Intensitäten des Brandes und/oder verschiedene Lagerungs- verhältnisse der betroffenen Artefakte. Die Erschei- nungen reichen von wenig verbrannten, d. h. braun 145 Czysz 1998, 116 Abb. 72. 146 Scholz 1996, 145. 147 Vgl. Jacomet – Kreuz 1999, 59  –  62; Matterne 2001, 67  –  69; Thanheiser 2004, 241; weiterführend: Wilson 1984, 201  –  206. bis hellgrau verfärbten Beinobjekten, bis zu stark verbrannten, d. h. schwarzen und sogar weiß kal- zinierten Artefakten. Diese Farbgebungen spie- geln Verbrennungsgrad und -temperatur wider. Die dunkelbraunen bis schwarzen Verfärbun- gen weisen auf Verbrennungstemperaturen von 300  –  400° hin, während die kalzinierten Artefakte Verbrennungstemperaturen von 650  –  700° und mehr ausgesetzt waren148. 7.3 Resümee Nach dem vorliegenden Befund wäre eine Abfolge von Aktivitäten wie folgt zu rekonstruieren: Bauphase (Periode II), Nutzungsphase (Periode II), Zerstörung (Periode II+). Nach, während oder unmit- telbar vor der Zerstörung erfolgte Aktivitäten wie Flucht, Brandbekämpfung, Rettung, Bergung, Plün- derung etc. sind grundsätzlich nicht auszuschließen, zeichnen sich im archäologischen Befund allerdings kaum ab. An die Brandzerstörung ist wahrschein- lich eine Ordnungs- oder Bereinigungsphase unmit- telbar nach dem Brand anzuschließen (zur Peri- ode III vgl. Kap. 16.7). Die Grube G32, in der primär Brandschutt entsorgt wurde, darf mit diesen Auf- räumarbeiten in Zusammenhang gebracht werden (vgl. Kap. 10.2). Darüber hinaus könnte besonders das Fehlen größerer Metallobjekte andeuten, dass diese im Rahmen von Aktivitäten nach der Zerstö- rung systematisch aus dem Brandschutt geborgen worden waren (vgl. Kap. 16). 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? Mit dem Begriff ›Pompeji-Prämisse‹ werden in der Archäologie idealisierte Befundsituationen beschrie- ben, die quasi versiegelt wurden, frei von jüngeren Eingriffen blieben und vollständige Inventare von Artefakten, die zum Zeitpunkt der ›Versiegelung‹ vorlagen, liefern sollen. Der Terminus ›Pompeii Pre- mise‹ wurde von Robert Ascher in die archäologi- sche Forschung eingeführt und von Lewis Binford sowie Michael Brian Schiffer diskutiert149, wobei der Zugang R. Aschers durchaus kritisch war, wie ein Zitat aus seiner Publikation von 1961 zeigt: »What the archaeologist disturbs is not the remains of a once living community, stopped as it were, at a point in time; […].«150 M. B. Schiffer kritisiert schließlich 1985, dass Auswertungen archäologischer Befunde, 148 Vgl. Grill 2006, 221. 149 Ascher 1961, 324 Anm. 21; Binford 1981, 196. 205; Schiffer 1985, 18  –  41; Sommer 1991, 62. 150 Ascher 1961, 324. In einer Anmerkung [21] präzisiert R. Ascher seine Gedanken dazu: »This erroneous notion, often implicit in archaeological literature, might be called the Pompeii Premise.«
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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