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7.1 Befunde
In diesem Kapitel sollen sowohl natürlich als auch
anthropogen bedingte depositionale und postde-
positionale Faktoren besprochen werden, die mit
der Genese des Befundes zusammenhängen oder
zusammenhängen könnten und bei dessen Inter-
pretation zu berücksichtigen sind121.
Im Zuge der archäologischen Ausgrabungen auf
dem Areal der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna
konnten zwischen 1989 und 1992 Brandschichten
und Brandschuttschichten dokumentiert werden. Im
Zuge der Periodisierung der Insula XLI wurde eine
homogene Brandschuttschicht II+ der Bauperiode II/
II+ zugewiesen. Diese Brandschuttschicht setzt sich
großteils aus verziegeltem Hüttenlehm, Holzkohle
sowie weiteren siedlungsspezifischen Fundmateria-
lien zusammen122. Die Zusammensetzung spiegelt
direkt die zur Errichtung der Gebäude während Peri-
ode II primär angewandte Fachwerk-Hüttenlehm-
Architektur (vgl. Kap. 9) wider. Reste der abgebrann-
ten Gebäude der Insula XLI bildeten ein bis zu 0,4 m
mächtiges Brandschuttstratum. Die Brandschicht
eines in vergleichbarer Bautechnik als Holz-Fach-
werk-Baracke ausgeführten Baukörpers des Kastells
von South Shields erreichte eine Mächtigkeit von bis
zu 0,5 m123. Eine in Cetium-St. Pölten festgestellte
Schutt-/Brandschicht, die mit Ereignissen der Mar-
komannenkriege in Beziehung gesetzt wurde, wies
eine Höhe von bis zu 0,5 m auf124. Die Brand- und
Brandschuttschichten in Regensburg-Kumpfmühl
zeigen annähernd ähnlich Dimensionen125. Der
Brand eines Holzgebäudes während des 3. Jahr-
hunderts n. Chr. zeichnete sich in Speyer als bis zu
0,3 m mächtige Brandschicht ab126.
Die Brandschuttschicht der Insula XLI konnte sowohl
flächig (Abb. 5
–
7) als auch in Profilen dokumentiert
werden (Abb. 8 – 12)127. Letztere zeigen, dass zwi-
schen den Nachweisen der Brandschuttschicht(en)
der Periode II/II+ in den Häusern II und IV kaum
Niveauunterschiede bestehen128.
121 Grundlegend dazu: Schiffer 1996.
122 Groh 1996, 58.
123 Hodgson 2005, 207.
124 Scherrer 1994, 448 f.
125 Dietz u. a. 1979, 78. 149 Abb.
126 König 1993, 122.
127 Groh 1996, 17 Abb. 6; 31 Abb. 19; 89 Abb. 60; Profile 5 – 6.
8 – 10. 14.
128 Eine Kontrolle der 1996 durch S. Groh publizierten Profile
ergab, dass sich die verzeichneten Brandschuttschichten
im Bereich zwischen ca. 267,1 – 267,5 m.ü.A. erstrecken.
Groh 1996, Profil 4, Schicht 3: Schuttschicht über Boden
Bauperiode II (ca. 267,1 – 267,5 m.ü.A. [≈ Haus II, Raum
I/1, Raum J]); Profil 5, Schicht 3: Rote lockere Brandschutt-
schicht (ca. 267,2
–
267,5 m.ü.A. [≈ Haus II, Raum E]); Profil 6,
Schicht 3: Rote lockere Brandschuttschicht (ca. 267,15
–
267,3
m.ü.A. [≈ Haus II, Raum I/1, Raum G, Raum E]); Profil 14,
Schicht 3: Rote Brandschuttschicht (ca. 267,25
–
267,5 m.ü.A.
[≈ Haus II, Raum E]); Profil 8, Schicht 5: Brandschuttschicht Von den Häusern der Insula XLI, die während Bau-
periode II errichtet wurden, waren nach Ausweis und
Ausmaßen der Brandschuttschicht die Häuser II, IV
und V am stärksten von Brandeinwirkung betroffen.
Das Haus III dürfte durch einen Brand nur bedingt
beeinträchtigt gewesen sein129. In den Häusern I
und VI konnten keine Brandschuttschichten festge-
stellt werden. Böden wiesen jedoch Schwärzungen
und Verziegelungen auf130, die vielleicht als Indizien
für eine, wenn auch geringfügigere Brandeinwirkung
betrachtet werden dürfen. Die sorgfältigere Entsor-
gung von Brandschutt aus diesen Gebäuden und/
oder eine erfolgreichere Brandbekämpfung lassen
sich als Erklärungsmodelle in diesem Zusammen-
hang anführen. Für Haus I wies der Ausgräber darauf
hin, dass »Schichten weggepflügt worden sind«131.
Eine Beweisführung, ob es sich bei den festgestellten
Brandbefunden der Häuser II und IV der Insula XLI
um denselben Brand oder verschiedene, nach Aus-
weis des Fundmaterials lediglich annähernd kon-
temporäre Brände handelt, ist nach den zwar groß-
flächigen, aber nicht vollflächigen Ausgrabungen
diffizil. Ein Übergreifen des Brandes von Haus II auf
Haus IV oder umgekehrt ist grundsätzlich auch ohne
architektonische Verbindung der Gebäude durch
Funkenflug möglich. In diesem Zusammenhang
ist vielleicht an eine Windrichtung aus Nordwesten
oder Südosten zum Zeitpunkt des Brandes zu den-
ken, die auch dazu geführt haben mag, dass sich
ein Feuer auf die Häuser II, IV und V sowie bedingt
auf Haus III ausbreiten konnte, während Haus I und
VI vom Brand kaum bis wenig betroffen waren. Die
Reihenfolge II, (III), IV, V folgt rein numerischen Kri-
terien und ist nicht auf die Ausbreitung des Brandes
zu beziehen. Die Installation mehrerer Feuerstellen,
die neben Beleuchtungsquellen (vgl. Kap. 11.1.2.4
Haus IV: 6 Lampen: Kat. 315
–
319. 321; Haus V: 1
Lampe: Kat. 325) in erster Linie als Ursache eines
Schadensfeuers in Betracht zu ziehen sind, ist für
Haus II (F 13
–
16), III (F17
–
20), IV (F31
–
33) und V
(F34
–
36) belegt (Abb. 13).
Ein eindeutiger Brandherd ist meines Erachtens für
die Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna nicht auszumachen. Nach Ausweis der
chro nologisch signifikanten Funde aus verschiede-
nen Bereichen der Insula XLI könnte die nach der
Zusammensetzung der Funde zeitlich homogen
wirkende Brandschuttschicht auch durch nahezu
gleichzeitig an verschiedenen Orten der Insula
ausgebrochene Brände verursacht worden sein.
(ca. 267,1 – 267,45 m.ü.A. [≈ Haus IV, Raum N]); Profil 9,
Schicht 4: Lockere rote Brandschuttschicht (ca. 266,95
–
267,5
m.ü.A. [≈ Haus IV, Raum N, Raum P, Raum Q]); Profil 10,
Schicht 4: Rote Brandschuttschicht (ca. 267,1 – 267,4/267,7
m.ü.A. [≈ Haus IV, Raum N, Raum P]).
129 Groh 1996, 68.
130 Groh 1996, 87.
131 Groh 1996, 179.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321