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tung, wie in Haus II im Bereich von Raum G oder
in Haus III im Bereich von Raum K, konnte zuletzt
auch für die Insula 50 von Augusta Raurica-Augst
erarbeitet werden986. Dort handelt es sich allerdings
um ein großzügiges Hallengebäude.
Da mit der Verwendung sowohl von Beschlägen als
auch Fibeln mit Trompetenornamentik grundsätzlich
sowohl im militärischen als auch im zivilen Kontext
zu rechnen ist, muss unbeantwortet bleiben, ob es
sich bei der für die Insula XLI nach der Evidenz ent-
sprechender Gussformen anzunehmenden Bron-
zegießerei um eine Werkstatt handeln könnte, die
eventuell (auch) für militärische Auftraggeber produ-
zierte (vgl. Kap. 11.1.3.2)987.
13.3 Textilproduktion
Als Zeugnisse der Textilproduktion liegen aus dem
Fundmaterial der Periode II/II+ der Insula XLI von
Flavia Solva-Wagna insgesamt lediglich acht Fund-
stücke, zwei Spinnwirtel aus Keramik sowie sechs
Webgewichte aus Keramik, vor. Die insgesamt
geringe Menge an spezifischen Funden erlaubt
an sich keine Identifizierung räumlicher Konzent-
rationen, die auf eine entsprechende vorwiegende
Tätigkeit in diesen Bereichen hinweisen würden.
Immerhin sind für den Bereich von Haus IV vier
(Kat. 425. 642 – 644) und für Haus III zwei (Kat. 424.
641) spezifische Artefakte anzuführen, während für
Haus II und V jeweils nur ein Fundstück (Kat. 426.
427), das eine Aussage über die Textilproduktion
erlaubt, vorliegt (vgl. Kap. 10; 11.1.2.6). Vor allem in
Zusammenhang mit den Webgewichten ist es pro-
blematisch, von lediglich vereinzelten Nachweisen
und den immerhin zwei aus Raum P des Hauses IV
stammenden Exemplaren auf einen Webstuhl zu
schließen. Grundsätzlich könnten einzelne Web-
gewichte auch als ›Universalgewichte‹ für andere
Zwecke als die Textilverarbeitung herangezogen
worden sein. Schließlich liegen aus Südostnoricum
Sätze von bis zu 30 Webgewichten vor, eine Zahl,
die wohl eher der für den Gebrauch eines Web-
stuhls vorauszusetzenden Menge an Gewichten
nahekommt988. Sowohl die beiden abgebildeten
Spinnwirtel Kat. 424
– 425 als auch die beiden abge-
bildeten Webgewichte Kat. 426 – 427 zeigen deutli-
che Gebrauchsspuren, weshalb zumindest für die
Spinnwirtel davon ausgegangen werden darf, dass
diese zur Textilproduktion eingesetzt worden waren.
Ob die vereinzelten Belege von Webgewichten aus-
reichend sind, um von einer Weiterverarbeitung des
Garns am Webstuhl auszugehen, ist fraglich.
986 Straumann 2011, 141 f.
987 Vgl. Diskussion bei: Gschwind 1997, 623 – 630.
988 Hinker 2007, 55 (Frauenberg); Fürnholzer 1996, 137
Abb. 14 – 15 (Grafendorf, 22 Stück). Die an der Menge der wohl zur Bestückung eines
Webstuhls notwendigen Webgewichte gemessen
insgesamt spärlichen Belege der Textilverarbeitung
können jedenfalls zumindest für den vorliegenden
engen zeitlichen und räumlichen Ausschnitt der
Stadt Flavia Solva-Wagna nicht als »Textilzentrum
innerhalb von Noricum«989 bestätigen.
Nach der Evidenz von Kleinwiederkäuern unter
den aus Periode II/II+ vorliegenden Tierresten (vgl.
Kap. 11.2.1) darf vielleicht angenommen werden,
dass auch Schafe unter diesen Tieren waren. Falls
wir von einer gewissen Kleintierhaltung auf dem
Areal der Insula XLI ausgehen dürfen, wäre jedoch
in erster Linie wohl an Geflügel zu denken (vgl.
Kap. 11.2.1). Die Kleinwiederkäuer dürften eher
auf den Villen im Umland von Flavia Solva-Wagna
gezüchtet und als Lebendvieh im Munizipium auf
den Markt gekommen sein. In diesem Zusammen-
hang dürften auch tierische Rohstoffe, u. a. Wolle,
angeboten worden sein. Schafwolle musste wohl
als Rohstoff zur Weiterverarbeitung im Rahmen der
häuslichen Textilverarbeitung zugekauft werden.
Andere Rohstoffe, die im Rahmen der Textilverar-
beitung Verwendung gefunden haben mögen, wie
Hühnerfedern oder Pflanzenfasern, könnten dage-
gen aus eigener Tierhaltung, Kultivierung oder Sam-
meltätigkeit bezogen worden sein.
989 Gostenčnik 2010, 62. Gostenčnik 2012, 397. Bezieht man die
Größe der verschiedenen in Flavia Solva-Wagna ergrabenen
Flächen sowie den Zeitraum der Besiedlung und lediglich den
Eigenbedarf dieser Generationen in die Überlegung mit ein,
relativiert sich wohl die Masse spezifischer Funde, auf denen
Überlegungen zu einer ›Textilwirtschaft‹ in Flavia Solva-Wag-
na gegründet sind.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321