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und Militaria aufgefunden1101. Menschliche Über-
reste in Kombination mit Brandschutt und Waffen-
funden in Augusta Vindelicum-Augsburg wurden
mit einem Germaneneinfall während des zweiten
Drittels des 3. Jahr hunderts n. Chr. verknüpft1102.
Mit Gebäudeschutt vergesellschaftete menschliche
Schädelreste, die z. T. Spuren von Gewalteinwir-
kung zeigen, werden mit einer Zerstörung der römi-
schen Villa von Nördlingen-Holheim, vielleicht durch
einen Überfall, in Zusammenhang gebracht1103.
Unter den Beispielen für Funde von Skelettresten
aus Siedlungs- oder Zerstörungsbefunden wären
weitere Befunde des 3. und 4. Jahr hunderts n.
Chr. zu differenzieren, die, wie die bereits erwähn-
ten Befunde von Nida-Frankfurt/Heddernheim,
möglicherweise neben dem Zusammenhang mit
Kampfhandlungen auch eine rituelle Komponente
aufweisen. Eine Brunnenverfüllung im Bonner Legi-
onslager enthielt Skelettreste von 15 Individuen,
darunter auch Frauen und Kleinkinder. Nach Aus-
weis der spätantiken Münzfunde wird der Befund mit
dem Frankeneinfall der Mitte des 4. Jahr
hunderts n.
Chr. verknüpft1104. Aus einem Schacht in Jülich-
Kirchberg geborgene Menschenknochen von drei
Individuen wurden mit einem Zerstörungshorizont
einer Brandkatastrophe des 4. Jahr hunderts n. Chr.
in Verbindung gebracht1105. In einem Brunnen in
Jüchen deponierte Menschenknochen weisen nach
den charakteristischen Spuren von Gewalteinwir-
kung auf ein hingerichtetes Individuum hin, wes-
halb ein Zusammenhang des Skelettmaterials mit
dem ebenfalls im Brunnen deponierten Brandschutt
ausgeschlossen wurde1106. Auch aus Regensburg
liegen aus der Schutteinfüllung in einen Brunnen
menschliche Schädelteile vor, die deutliche Spu-
ren von Gewalteinwirkung zeigen1107. Eine Ver-
bindung dieses Befundes mit dem um 240 n. Chr.
abgebrannten Tempel, aus dessen Schutt ebenfalls
Überreste von zwei Individuen, die allerdings keine
Spuren von Gewalteinwirkung aufweisen, gebor-
gen werden konnten, liegt nahe1108. Schließlich ist
in diesem Zusammenhang auch auf die Schädel
mit tödlichen Verletzungsspuren aus den Brunnen-
befunden des 3. oder 4. Jahr hunderts n. Chr. von
Regensburg-Harting hinzuweisen1109.
Bemerkenswert ist ein Konvolut menschlicher Ske-
lette des sog. Tower 19 Countermine Deposit von
Dura Europos, die mit römischen Gegenmaßnah-
men im Zuge der persischen Belagerung um die
1101 Winkelmann 1914, 6.
1102 Ortisi 2002, 151.
1103 Czysz – Faber 2004/2005, 139.
1104 Plum 1994, 92.
1105 Becker – Päffgen, 2003, 126 – 128.
1106 Becker 2008, 86 f.
1107 Schröter 1982, 117 f.
1108 Schröter 1982, 118.
1109 Schröter 1984, 118 – 120. Mitte des 3. Jahr hunderts n. Chr. verbunden wer-
den1110.
Von herkömmlichen Bestattungen abweichende
Deponierungen menschlicher Skelette und Pfer-
deskelette in Gelduba-Krefeld/Gellep werden mit
dem Bataveraufstand 69 n. Chr. oder Konflikten des
3. Jahr hunderts n. Chr. in Verbindung gebracht1111.
Das Fehlen von »murdered people […] or tra-
ces of a military encounter« in einem spätantiken,
mit einem Hunneneinfall des zweiten Viertels des
5. Jahr hunderts n. Chr. verknüpften Brandschuttho-
rizont in Iatrus-Kriwina, wird dahingehend interpreti-
ert, dass »the inhabitants had apparently left upon
hearing news of the approaching enemy«1112. Ein
Schadensfeuer wird nicht in Betracht gezogen.
16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde
Neben dem Fehlen von Militaria und menschlichen
Überresten wurde bereits auf den generell geringen
Nachweis an Metallfunden, vor allem Werkzeugen,
wie sie im Zusammenhang mit den übrigen Hinwei-
sen auf Werkstätten, zu erwarten gewesen wären,
hingewiesen (vgl. Kap. 7; 13). Ähnlich der Diskus-
sion um die nicht vorhandenen Menschenkno-
chen lassen sich daraus keine Schlüsse ableiten,
die eines der beiden Szenarien (Brandschatzung
oder Schadensfeuer) ausschließen oder bestäti-
gen würden. Einerseits mag der geringe Nachweis
an Metallica mit dem Schrottwert der Artefakte
zusammenhängen und hinsichtlich eines systema-
tischen Durchsuchens der (aus welchem Grund
auch immer) abgebrannten Häuser durch die lokale
Bevölkerung oder ehemalige Bewohner gedeu-
tet werden. Andererseits könnte das weitgehende
Fehlen von geschmiedetem Werkzeug etc. im vor-
liegenden Fundmaterial auf eine Plünderung ger-
manischer Invasoren zurückgeführt werden1113. Zur
Klärung der Brandursache vermag diese Diskussion
deshalb keinen Beitrag zu leisten.
Die vorliegenden übrigen Funde belegen einen
Brand, aber nicht dessen Ursache. Münzfunde
und Terra Sigillata erlauben zwar eine relativ prä-
zise chronologische Einordnung des Befundes in
die Zeit der Markomannenkriege. Terra Sigillata mit
sekundären Brandspuren, die aus einer entspre-
chenden Brandschicht stammt, mag als zusätzli-
cher Beleg eines Brandes während des definierten
Zeitraumes gelten, erlaubt aber keine direkten his-
torischen Verknüpfungen mit Germaneneinfällen,
wie beispielsweise im Zusammenhang mit zeitlich
1110 James 2005, 189 – 206; James 2010, 34 – 38 Abb. 15.
1111 Reichmann 1999, 97 – 101 Abb. 1 – 2; 105 Abb. 4.
1112 Vagalinski 2012, 319. 323 (dort derselbe Autor durchaus auch
kritisch allgemein zu dieser Thematik). Vgl. Gugl 2013, 90 f.
1113 Vgl. Schucany 2005, 59.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321