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entsprechenden Sigillaten pannonischer Fundorte
zu zeigen versucht wurde1114. Brandverfärbungen
auf Einzelstücken oder geringen Mengen antoni-
nischer Terra Sigillata ohne Stratifizierung in oder
Zusammenhang mit entsprechenden Brandschich-
ten auf Brandkatastrophen und in weiterer Folge auf
historische Ereignisse zu beziehen, ist gleichwohl
problematisch: »Da auch auf dem Stück von Geru-
lata Brandspuren zu beobachten sind, ist es nicht
ausgeschlossen, dass auch dieses Schüsselfrag-
ment aus einer Brandschicht in eine Abfallgrube […]
des Lagers geraten ist. Die markuszeitliche Sigillata
gestattet es uns also zu vermuten, dass Gerulata
ebenso wie die Mehrheit der nahen oberpannoni-
schen Lager (Quadrata, Arrabona, Vindobona) zum
Opfer einer Zerstörung gefallen ist [sic!].«1115
T. Fischer stellt zur Thematik 1994 treffend fest:
»Keinesfalls z. B. rechtfertigt an einem Fundort nur
eine summarische Betrachtung verbrannter Relief-
sigillaten allein eine präzise Zuordnung zu einem
bestimmten historischen Ereignis.«1116 Im Zusam-
menhang mit Flavia Solva-Wagna stellt er 2002
dann jedoch fest: »Eine markante Zerstörungs-
schicht lässt sich aufgrund der darin gefundenen
Reliefsigillaten und anderer Fundgruppen mit gro-
ßer Sicherheit auf die Markomannenkriege bezie-
hen, denen offenbar die Stadt vollständig zum Opfer
fiel.«1117 Wieder einmal wird eine Brandschicht in
Verbindung mit einer für diese u. a. durch Nachweis
spezifischer Terra Sigillata erarbeiteten Datierung,
die in die Zeit der Markomannenkriege fällt, ohne
dass weitere konkrete Zeugnisse von Kampfhand-
lungen etc. vorliegen würden, »mit großer Sicher-
heit« (?) auf historische Ereignisse bezogen. Es ist
festzuhalten, dass sich Befunde einer Brandzer-
störung mehrerer Häuser der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna sowohl deutlich abzeichnen als auch
plausibel um 170 n. Chr. zu datieren sind. Ein Bezug
auf die Markomannenkriege lässt sich also ledig-
lich rein zeitlich, nicht jedoch ursächlich herstellen.
Vorgelegte »Reliefsigillaten und andere Fundgrup-
pen« tragen bestenfalls zu einer mehr oder weni-
ger exakten Datierung des Brandbefundes bei, sind
jedoch in keiner Weise dazu geeignet, Schlüsse
über die Ursachen des Brandes zu ziehen, zumal
auch angeführte »andere Fundgruppen« aus der
Insula XLI bislang keine Funde, die den Verdacht
auf kriegerische Auseinandersetzungen erhärten
1114 Gabler 1994, 355 – 370; Gabler 2002, 69 – 74. Zuletzt wurde
in einem ähnlichen Zusammenhang auf die mögliche Zerstö-
rung eines Grubenhauses in Páty während der »markoman-
nisch-sarmatischen Kriege 166 – 180« hingewiesen: Gabler
2007, 271.
1115 Radnóti – Gabler 1982, 71.
1116 Fischer 1994, 342. Vgl. Bemerkungen zu den feinchronolo-
gischen Grenzen der Datierung nach Terra Sigillata: Strobel
2001, 107 Anm. 25.
1117 Fischer 2002, 85. könnten (Menschenknochen, germanische Milita-
ria), geliefert haben.
16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach
Periode II/II+
Die nach der Brandzerstörung hinsichtlich Grund-
risslösungen abweichende und flächenmäßig ins-
gesamt geringere Verbauung der Insula XLI1118
(Abb. 38) könnte auch als ein Indiz für Veränderun-
gen der Besitzverhältnisse zu bewerten sein. Bezüg-
lich Aussagen über die Bauperioden III–IV wurde
vom Ausgräber auf »eine verstärkte Zerstörung der
Befunde durch Bodenerosion und Pflugeinwirkung«
hingewiesen und festgestellt: »Die dritte Bauperi-
ode ist über weite Teile kaum von der Bauperiode IV
zu unterscheiden, […].«1119 Haus I der Periode III
wurde auf dem Areal des Hauses IV der Periode II
errichtet1120. Die Häuser II (Raum L), III (Raum D)
und IV (Gebiet G, Raum M) der Periode III–IV dürf-
ten nach Ausweis der Funde zumindest z. T bereits
während Periode III genutzt worden sein1121.
Die Orientierung der Gebäude der Insula XLI nach
dem Insulae- und Straßenraster von Flavia Solva
wird auch während der Perioden III–IV beibehal-
ten. Soweit aus den erschließbaren Grundris-
sen von Häusern der Periode III–IV ersichtlich ist,
könnten nun bevorzugt großflächigere Räume oder
Hofareale angelegt worden sein (Haus I, Raum A
und Raum B, Areal D), was vielleicht eine gegen-
über Periode II veränderte Nutzung von Arealen
der Insula XLI nahelegt. Da die festgestellten Bau-
strukturen hinsichtlich ihrer Vollständigkeit auf-
grund der Befundlage als unvollständig eingestuft
werden müssen (s. o.), sind zu Details der räum-
lichen Ausgestaltung keine validen Aussagen zu
treffen. Vielleicht wäre diesbezüglich für Periode III
durchaus mit einer weiteren, allerdings nicht mehr
erhaltenen architektonischen Binnengliederung ein-
zelner Häuser in Leichtbauweise zu rechnen. Die
Bautechnik der Perioden III–IV ist einerseits durch
eine gewisse Nutzung von Bruchsteinmauerstruktu-
ren der Periode II1122, andererseits durch ein wenig
sorgfältig aus Bruchsteinen und Ziegeln1123 aufge-
führtes Mauerwerk (Haus I-Außenmauern) in Kom-
1118 Groh 1996, 160 Plan 14.
1119 Groh 1996, 88.
1120 Groh 1996, 88 – 91. 160.
1121 Groh 1996, 92 – 102.
1122 Haus V (Periode II) und Haus II (Periode III–IV): M46 und
M84. Haus IV (Periode II) und Haus IV (Periode III–IV):
M30 – M33. Vgl. Groh 1996, Plan 5 – 6 (Periode II). 8 – 9 (Peri-
ode III–IV).
1123 Ob die bei Groh 1996, 89 erwähnten sekundär verbrannten
Ziegelfragmente, die u. a. zur Errichtung dieser Mauern der
Periode III herangezogen wurden, mit dem Brand der Perio-
de II/II+ zu verbinden sind, muss offenbleiben.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321