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Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Page - 144 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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144 Klappmesser mit vom vorliegenden Exemplar aus Flavia Solva-Wagna zu differenzierender zwei- schaliger Griffkonstruktion sind in Augusta Raurica- Augst788 und Aquileia789 nachgewiesen. Die Funktion der Halbrundstab-Fragmente Kat. 513  –  515 ist nicht näher zu bestimmen. Zur Produktion wurden möglicherweise sowohl Kleinwiederkäuer- als auch Rinderknochen (Langknochen, scapula, tibia [?]) herangezogen. Die Applizierung auf einer planen Fläche liegt durch die entsprechende plane Ausarbeitung der ›Rückseite‹ nahe. In Verbindung mit den im Fundmaterial vorliegenden Beinelemen- ten, die als Kästchenverkleidungen etc. gedeutet wurden, darf vielleicht eine entsprechende Funktion der neutral als Halbrundstäbe bezeichneten Arte- fakte in Erwägung gezogen werden. Die Leisten Kat. 516  –  529, von denen Kat. 516, 518  –  519 und 521 an den Schmalseiten mit einer Gehrung versehen sind, könnten zur Produktion von Kästchen- oder Kästchendeckelverkleidungen vorgesehen gewesen sein. Die Gehrung beschreibt jeweils einen Winkel von ca. 45° und zeigt damit an, dass diese Leisten wohl für Verbindungen in einem Winkel von 90° dienten (Fototaf. 8). Stärke und Abmessungen der Leisten Kat. 516  –  522 sind weitgehend identisch. Zur Fertigung wurden wahr- scheinlich primär Rinderknochen herangezogen. Eine gewisse Vorstellung von den Dimensionen und der Form eines antiken Kästchens gibt die Rekon- struktion des frühchristlichen Kästchens aus einem Frauengrab bei Heilbronn, das aus einem Holzkern mit Beinverkleidung besteht790. Eine vermutlich spätantike Werkstätte zur Herstellung von Kästchen aus der Kombination von Bein- und Holzbestand- teilen konnte in Gloucester aufgedeckt werden791. Die Verkleidung eines Holzkästchens mit Elfenbein- elementen, speziell eine Einfassung des Deckel- randes mit vergleichbaren Eckverbindungen durch Gehrung, ist an einem rechteckigen Kästchen aus Cumae zu beobachten792. Die Rahmenkonstruktion aus zusammengefügten Leisten mit Gehrung einer »Beinplakette« aus Ägypten793 ist mit den vorlie- genden Leisten nicht vergleichbar. Grundsätzlich entsprechende Leisten, allerdings mit abweichender Gehrung, sind aus Nîmes für die Konstruktion recht- eckiger Beinkästchen mit Schiebedeckel belegt794. 788 Riha 1986, 30  –  31. 180 Taf. 65, 88. 789 Buora – Jobst 2002, 214 Nr. 3; 32  –  34. 790 Goeßler 1932, 294  –  299 Abb. 1 Taf. 17. 791 Hassal – Rhodes 1974, 72 f. Abbb. 28, 36; Crummy 1981, 285; Crummy 2001, 100. 792 Mellilo 2007, 273 f. Abb. 8, 14. 793 Marangou 1976, 117 Taf. 50, 169 a. 794 Béal 1984, 92  –  94 Abb. Taf. 19, 366 (Gehrung über die Breite der Leiste, nicht an deren Schmalseite wie bei den Leisten aus Insula XLI). Neben der möglichen Verwendung der Leisten als Bestandteile von Kästchen darf in Zusammenhang mit den vielleicht einer Kammproduktion zuzurech- nenden Beinartefakten Kat. 576  –  577 auf Befes- tigungsleisten für die Nietverbindungen von Drei- lagenkämmen, die mitunter abgeschrägte Kanten aufweisen können, hingewiesen werden795. Bei den kleineren Leisten Kat. 523  –  529 muss es sich nicht zwingend um Produktionsabfallstücke handeln. Zumindest für kleinere Leisten, die keine Bruchflächen aufweisen, wie Kat. 523  –  524 und Kat. 526  –  527, darf vielleicht daran gedacht werden, dass diese durchaus noch für eine Verwendung im Rahmen der Produktion, z. B. als Füllstücke etc., herangezogen werden konnten. Ob es sich bei den kleinen mit einer Nut versehenen Beinfragmenten Kat. 528  –  529 um Halbfabrikate, die als Konstruktionselemente weiterverarbeitet wurden, oder um beabsichtigten oder unbeabsich- tigten Produktionsabfall (vgl. Kap. 13.1.2 Abb. 36) handelt, ist nicht zu entscheiden. Die sorgfältig aus- gearbeitete Nut weist darauf hin, dass diese Arte- fakte oder größere, nicht erhaltene Objekte, von denen die Stücke Kat. 528  –  529 abgesägt worden waren, zur Verbindung mit weiteren Konstruktions- elementen durch Aufschieben oder Aufstecken dien- ten. Entsprechend dünnwandige Beinartefakte wie Kat. 571 könnten im Zusammenhang mit der Nut als Schiene für eine bewegliche Führung verwen- det worden sein. Beinkästchen mit Schiebedeckel weisen beispielsweise grundsätzlich vergleichbare Konstruktionselemente auf. Die vorliegenden Abfall- stücke oder Halbfabrikate liefern zumindest Indizien für vergleichbare Fertigungstechniken. Ob es sich konkret um Kästchen mit Schiebedeckel handelt, muss – auch wegen der filigranen Ausführung der vorliegenden Artefakte – offenbleiben. Die als Verkleidungsplatten angesprochenen Arte- fakte 530  –  541 dürften für die Produktion von Käst- chen vorgesehen gewesen sein796. Grundsätzlich liegen in Kombination mit den Leisten Kat. 516  –  529 jedenfalls Bestandteile vor, wie sie z. B. durch ein – in Details freilich abweichendes – Arzneikästchen aus Holz aus Noviomagus-Nijmegen illustriert wer- den797. Rechteckige (Kat. 530  –  537), trapezförmige (Kat. 538  –  540) und polygonale Platten (Kat. 541) sind formal zu differenzieren. Im Rahmen der Pro- duktion dürften vor allem Rinderknochen (Langkno- chen, Rippen, Schulterblätter) verwendet worden sein. Bemerkenswert ist das auf der Platte Kat. 530 ange- brachte Kreisauge, nach dem zumindest für diese Platte die Außenseite sicher zu bestimmen ist. Bein- 795 Deringer 1967, 69  –  71 Nr. 18  –  20 Textabb. 11  –  13. 796 Gostenčnik 2005, 338  –  340. 797 Künzl 1982, 93  –  95 Abb. 74. 76.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Title
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Author
Christoph Hinker
Publisher
Österreichisches Archäologisches Institut
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
344
Keywords
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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