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Bernsteinstraße Funde aus Carnuntum-Petronell854
und Scarbantia-Sopron855 vor. Im Weinviertel nörd-
lich der Donau ist Saatweizen am Oberleiser Berg
belegt856. Abgesehen von dem Vicus von Vitudu-
rum-Winterthur als einem weiteren Beispiel für den
zivilen Beleg von Rispenhirse und Saatweizen sind
diese Getreide auch in militärischen Kontexten am
Obergermanisch-Rätischen Limes nachgewiesen,
wie z. B. Befunde aus Neuss-Novaesium und Welz-
heim zeigen857. Archäobotanische Untersuchun-
gen in Augusta Raurica-Augst haben gezeigt, dass
bezüglich des Getreidespektrums Saatweizen am
häufigsten nachgewiesen ist858. Dieses Ergebnis
widerspricht dem für die Nordschweiz festgestellten
Überwiegen von Rispenhirse.
Die vorliegenden Acker- und/oder Pferdebohnen
(Viciae fabae)859 zeigen Hinweise auf Schädlings-
befall durch Insekten860 (Bohr löcher, Käfer-
abdomen)861. In Zusammenhang mit der Bestim-
mung eines Käfers aus römerzeitlichen Straten in
Aachen wurde auf die Bindung der identifizierten
Art (Sitona flavescens, Familie der Rüsselkäfer)
u. a. an Vicia faba-Kulturen hingewiesen862. Auch
an Ackerbohnen aus Lauriacum-Enns wurde ein
starker Schädlingsbefall durch Rüsselkäfer kons-
tatiert863. Nach dem Befund von Schädlingsbefall
könnte auch davon auszugehen sein, dass die vor-
liegenden Belege für Acker- und/oder Pferdeboh-
nen intentionell verbrannt wurden, wie es für einen
Befund nicht näher bestimmten, stark verseuchten
Getreides in Droitwich vorgeschlagen wurde864.
Die Auswertung von Proben aus einer Grubenver-
füllung antoninischer Zeitstellung in Alcester zeigt,
welche schädlichen Käferarten in Zusammenhang
mit Vorratshaltung für das ausgehende 2. Jahr-
hundert n. Chr. in den Nordwestprovinzen u. a. zu
erwarten sind: Oryzaephilus surinamensis, Stego-
bium paniceum, Palorus subdepressus und Sitophi-
lus granarius865.
854 Thanheiser 2004, 242 f. Tab. 2 (Zivilsiedlung, Haus I: ausge-
hendes 1. Jh.–400 n. Chr.).
855 Gömöri 2001, 226 (Spätantike bzw. Völkerwanderungszeit).
856 Schneider – Raunjak 1994, 193. 215 f. Tab. 1; 223 Tab. 5. 7;
226 Tab. 9; 229 Tab. 11 (Spätantike bzw. Völkerwanderungs-
zeit).
857 Körber-Grohne 1979, 60 Tab.
858 Jacomet 1988, 279.
859 Matterne 2001, 104.
860 Matterne 2001, 164 f.
861 Groh 1996, 148 Anm. 390 Tab. 19.
862 Koch 1971, 414. 423.
863 Werneck 1954, 85 f.
864 Osborne 1977, 204.
865 Osborne 1971, 162 – 164; Shackley 1981, 149. Die Spezies
Oryzaephilus surinamensis und Sitophilus granarius sind be-
reits für das ausgehende 1. bzw. beginnende 2. Jh. n. Chr.
in Zusammenhang mit einem massiv schädlingsverseuchten Acker- und/oder Pferdebohnen aus römerzeitlichen
Befunden sind in Noricum vielleicht am Burgstall
bei St. Margarethen im Lavanttal866, sicher in Favi-
anis-Mautern867, am Frauenberg868, in Lauriacum-
Enns869, Lavant870, am Magdalensberg871 und am
Tscheltschnigkogel (Kadischen)872 nachgewiesen.
Für den Vicus von Grinario-Köngen am Neckar-
Odenwald-Limes ist ein Fund einiger Hundert ver-
kohlter Samen Vicia faba L. in einer Knickwand-
schüssel mit Horizontalrand aus Keramik belegt873.
Funde römerzeitlicher Acker- und/oder Pferdeboh-
nen aus Speyer wiesen Bohrlöcher, d. h. Indizien für
einen Insektenbefall, auf 874.
Neben dem vorliegenden Beleg für eine Erbse
(Pisum sativum)875 aus Periode II/II+ der Insula XLI
von Flavia Solva-Wagna konnte diese Hülsenfrucht
in Noricum vielleicht am Burgstall bei St. Margare-
then im Lavanttal876, sicher in Favianis-Mautern877,
Lauriacum-Enns878, Lavant879, am Magdalens-
berg880 und am Tscheltschnigkogel (Kadischen)881
sowie in der Nachbarprovinz Pannonia superior in
Carnuntum882 nachgewiesen werden.
Der Nachweis von Schmetterlingsblütler (Faba-
ceae) und Wolfsmilch (Euphorbia) als mögliche
Ruderalpflanzen oder Erntebegleiter spricht für eine
gewisse Verunreinigung des Saatweizens883.
Fabaceae konnten im Zuge archäobotanischer
Untersuchungen auch in Favianis-Mautern884 sowie
»grain warehouse« in Eburacum-York zu nennen: Hall – Ken-
ward 1976, 274 – 276; Shackley 1981, 149 f.
866 Popovtschak 2011, 256 Tab. 49 (Perioden 4
–
5: 140/150
–
nach
276/277 n. Chr.).
867 Popovtschak 2002, 420 f. Tab. 258 (Kastell, Periode 6:
370/380 – 450 n. Chr.).
868 Popovtschak 2005, 192 (Periode 9: Spätantike).
869 Werneck 1954, 88 Abb. 45.
870 Werneck 1954, 88. 92.
871 Werneck 1969, 24 f. (spätrepublikanisch–claudisch).
872 Werneck 1954, 88. 92.
873 Baas 1987, 365 – 370.
874 König 1993, 123. 125 Abb. 6; 127.
875 Matterne 2001, 103.
876 Popovtschak 2011, 256 Tab. 49 (Perioden 4
–
5: 140/150
–
nach
276/277 n. Chr.).
877 Popovtschak 2002, 420 Tab. 258; 423 Tab. 259 (Kastell, Pe-
rioden 6 – 7: 370/380 – 480/500 n. Chr.).
878 Werneck 1954, 86.
879 Werneck 1954, 88. 92.
880 Werneck 1969, 23 – 25 (spätrepublikanisch–claudisch).
881 Werneck 1954, 88. 92.
882 Schneider – Raunjak 1994, 213 (Spätantike bzw. Völkerwan-
derungszeit).
883 Zur Unkrautvegetation in Zusammenhang mit Getreidekultu-
ren vgl. Jacquat 1986, 246.
884 Popovtschak 2002, 419 f. Tab. 257 – 258 (Kastell, Perioden
5 – 6: 260/270 – 450 n. Chr.).
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321