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zwar einerseits auf das Fehlen von Militaria in den
entsprechenden Straten hin, möchte aber einen
möglichen Zusammenhang auch nicht ausschlie-
ßen: »[…], da Metallgegenstände beim Einplanie-
ren gezielt aus dem Schutt aussortiert wurden.«1039
Diese Befundsituation, die durch die fehlende Evi-
denz von Militaria gekennzeichnet ist, ähnelt stark
jener der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna. In
diesem Zusammenhang ist freilich auf die Proble-
matik von Schlüssen ex tacendo hinzuweisen (vgl.
Kap. 7).
In weiterer Folge wurden die um 170 n. Chr. datier-
ten Brandzerstörungen in Iuvavum-Salzburg mit
kontemporären Brandbefunden einer Villa Rustica
in Mondsee in Verbindung gebracht und vice versa.
Einerseits bezieht A. Kaltenberger die Befunde in
Iuvavum-Salzburg in ihre Überlegungen mit ein und
meint: »Daß die Einfälle der Markomannen auch
die Villa Rustica von Mondsee betroffen haben
könnten, wäre möglich, da auch Iuvavum, zerstört
wurde.«1040 Andererseits zieht A. Krammer wiede-
rum bei Überlegungen zu einem möglichen Kau-
salzusammenhang zwischen Brandschichten und
Germaneneinfall in Iuvavum-Salzburg die römische
Villa von Mondsee in Betracht und argumentiert,
dass »es eines gewaltigen Zufalls bedürfte, wenn
die Villa Rustica zur gleichen Zeit wie auch die Stadt
Iuvavum durch ein Feuer zerstört worden wäre ohne
dass ein kausaler Zusammenhang bestünde«1041.
Die abwechselnde Anführung des einen – in sei-
ner Verknüpfung mit den Germaneneinfällen unsi-
cheren – Befundes zur Unterstützung des anderen
– in seiner Verknüpfung mit den Germaneneinfäl-
len ebenso unsicheren – Befundes trägt weder zur
Bekräftigung des einen noch des anderen Befundes
hinsichtlich einer Verbindung mit der Ereignisge-
schichte, explizit den Markomannenkriegen, bei. In
diesem Zusammenhang ist besonders darauf hin-
zuweisen, dass es sich lediglich um eine vermeint-
liche Gleichzeitigkeit der Datierungen der jeweiligen
Brandschichten in Iuvavum-Salzburg und Mondsee
handeln kann. Eine mit herkömmlichen archäologi-
schen Methoden erarbeitete Zeitangabe »um 170 n.
Chr.« ist zwar für archäologische Verhältnisse rela-
tiv exakt und methodisch sauber erarbeitet, aber
gerade deshalb nicht noch näher eingrenzbar und
hinsichtlich ihrer Gleichzeitigkeit mit anderen Datie-
rungen »um 170 n. Chr.« de facto vage. Die Zeit-
spanne zwischen zwei Befunden, die jeweils nicht
präziser als »um 170 n. Chr.« datiert sind, mag
Wochen, Monate, ein bis zwei Jahre oder nach
unterschiedlichem Ermessen noch länger betragen.
1039 Krammer 2007, 44. Vgl. dazu die gleiche Argumentation be-
reits 1999 bei Seebacher 1999, 267 f.
1040 Kaltenberger 1995, 14.
1041 Krammer 2007, 44. Bereits G. Alföldy wies darauf hin, dass Nachweise
von Zerstörungen aus der Zeit der Markomannen-
kriege für die Villen um Iuvavum-Salzburg feh-
len1042. Schließlich wurde der Zerstörungshorizont
in Iuvavum-Salzburg gemeinsam mit fraglichen
Brandbefunden in Katsch unter Einbeziehung kon-
temporärer Münzhorte dafür herangezogen, römi-
sche Passstraßen über die Alpen als mögliche
Einfallsrouten germanischer Verbündeter zu rekon-
struieren1043: »Diese Befunde lassen wohl kaum
einen anderen Schluss zu, als daß einzelne Invaso-
rengruppen, in diesem Fall wohl hauptsächlich Mar-
komannen, auf den römischen Passstraßen auch
in die Alpenregion hinein und über die Alpenpässe
nach Süden vorgestoßen sind.«1044 Der Gedanke,
dass der Germaneneinfall weiter westlich über die
Alpenpässe erfolgt sein könnte, wurde zuletzt von
U. Schachinger als mögliche Erklärung der für
Flavia Solva-Wagna während der Markomannen-
kriege vorliegenden lückenlosen Münzreihe (vgl.
Kap. 11.1.3.1) aufgegriffen1045. Die Befundlage
bezüglich markomannenkriegzeitlicher Zerstörun-
gen an der sog. Norischen Hauptstraße im Bereich
des Alpenhauptkammes wurde von M. Pollak als
negativ bewertet1046.
Von T. Fischer wurde zuletzt auch für Hallstatt-Lahn
angenommen, »that this wealthy vicus had also
fallen to the pillaging enemies […]«1047. Er bezieht
sich auf Angaben eines Brandbefundes der zwei-
ten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. in einer sog.
Villa der Gräber, die zuletzt von M. Pollak zwar in
diesem Zusammenhang, aber durchaus kritisch
angeführt worden war1048. Eine Datierung dieser
in einem Bereich der sog. Villa der Gräber fest-
gestellten Brandschicht in die zweite Hälfte des
2. Jahr hunderts n. Chr. erscheint plausibel1049, eine
1042 Alföldy 1974, 153.
1043 Haider 1993, 253.
1044 Haider 1994, 26.
1045 Schachinger 2006, 112, Diagramm III.34; 113 f.; vgl. Scha-
chinger 2006a, 110. Für mehrere Insulae, darunter auch die
Insula XLI, für die bereits S. Groh auf eine Abnahme des
Münzumlaufs nach dem Brandereignis hinwies, wird jedoch
ein deutlicher Rückgang des Münzzulaufs zur Zeit der Marko-
mannenkriege angeführt. Vgl. Groh 1996, 124; Schachinger
2006a, 110 f.
1046 Pollak 1994, 432.
1047 Fischer 2012, 36.
1048 Pollak 1994, 432.
1049 Zur zeitlichen Bestimmung des Brandereignisses liegen aus
dem Nutzungszeitraum des Gebäudes je ein Typvertreter
Drag. 18/31, Drag. 32 und Drag. 33 vor. Diese stammen of-
fenbar nicht direkt aus der Brandschicht, sondern lagen auf
demselben Gussmörtelestrich, über dem an anderer Stelle
die bis 0,1 m mächtige Brandschicht festzustellen war: Wie-
singer – Morton 1941, Beibl. 90 f. Der Typvertreter Drag. 33
könnte nach den Angaben von Mörtelspuren aus dem Estrich
stammen: Morton 1965, 175. Der Teller Drag. 32 mit Stem-
pelabdruck ATTIANVS FEC(it) ist bei Hartley – Dickinson
2008, 303 Nr. 32 (Attianus iv, 160 – 260 n. Chr.) verzeichnet.
Bei Wiesinger – Morton 1941, 102 Nr. 44 wird der Teller als
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321