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Viktor Andrian4 war einige Tage hier auf Besuch. Er klagt über das Minis-
terium, die Haltlosigkeit seiner auswärtigen Politik gegenüber Deutschland5
und den Mangel an Kenntnis der praktischen und lokalen Verhältnisse, wel-
che[r] die innere Politik zu keinem Ziel gelangen lässt. Die Finanzen stehen
von Tag zu Tag schlechter, man spricht immer mehr vom unvermeidlichen
Bankbruch und der Insolvenz des Staates.6 Die Aussichten in die Zukunft
sind trübe, ganz Mitteleuropa kann nicht aus den Provisorien herauskom-
men. Daran ist weniger Unkenntnis der wahren Sachlage als Mangel an
Redlichkeit und offenem mutigem Eingehen in den unvermeidlichen Kampf
gegen die Revolution von 1848 schuld. Alles fischt im Trüben.
4 Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858), übrigens ein Cousin Belcredis,
wurde im Vormärz mit der Schrift Oesterreich und dessen Zu kunft bekannt (erstmals 1841
anonym erschienen, ein zweiter Teil 1847), die als Programm des oppositionellen Adels
galt; das Regierungssystem wollte er nach dem Vorbild des englischen Konstitutionalismus
umgebaut wissen. Die anonym herausgegebene Dokumentensammlung Historische Acten-
stücke zur Ge schichte des Ständewesens in Oesterreich, Leipzig 1846, 6 Hefte, dürfte von
ihm stammen. MdFN 1848/9, wo er für die Vormachtstellung Österreichs im Deutschen
Bund eintrat, Vizepräsi dent und Mitglied des Verfassungsgebenden Ausschusses. Nach
Auflösung des Kremsierer Reichstags gab er anonym die Schrift Centralisation und Decen-
tralisation in Oesterreich, Wien 1850, heraus. 1851, noch vor dem Übergang zum offenen
Absolutismus, schrieb Andrian-Werburg eine Denkschrift über die Verfassungs- und Ver-
waltungsfrage in Oesterreich, die erst posthum 1859 veröffentlicht wurde. Vgl. Viktor Franz
Freiherr von andrian-WerBurg, „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die
Stimme Gottes in der Wüste“. Tagebücher 1839–1858, hg. v. Franz Adlgasser (= Veröffentli-
chungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, 98/1–3), Wien–Köln–Weimar
2011. Andrian-Werburg schreibt über Belcredi am 6. März 1850: „Egbert selbst steuert mit
hohen Segeln, declamirt nach seiner Gewohnheit viel, wirkt aber auch praktisch in Verei-
nen, Versammlungen etc. und scheint wirklich auf dem Wege zu sein, sich eine einflussrei-
che Stellung in Mähren zu erwerben, so ist er z. B. Präsident des historisch-statistischen
Vereines.“ Ebd., 2, 341.
5 Zur deutschen Politik Österreichs siehe Stefan lippert, Felix Fürst zu Schwarzenberg. Eine
politische Biographie (= Historische Mitteilungen, Beiheft 21), Stuttgart 1997; Francis Roy
Bridge, Österreich(-Ungarn) unter den Großmächten, in: Adam Wandruszka – Peter Ur-
banitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 6/1, Wien 1989, 196–373; Jiří
kořalka, Deutschland und die Habsburgermonarchie 1848–1918, in: Adam Wandruszka –
Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 6/2, Wien 1993, 1–158;
zur älteren Literatur siehe Heinrich friedJung, Österreich von 1848 bis 1860, 2 Bde., Stutt-
gart–Berlin 1908–1912.
6 Das Agio (die Kursdifferenz zwischen Papiergeld und Silber) blieb weiter hin sehr hoch. Im
März 1850 betrug es 120 Prozent. Der drohende Krieg mit Preußen ließ das Disagio noch
höher ansteigen. Am 25. November 1850 erreichte es 139 und einen Tag später schließlich
150 Prozent. Zu Österreichs Finanzen in diesen Jahren nach der Revolution vgl. fried-
Jung, Österreich 1, 239–250; Harm-Hinrich Brandt, Der österreichische Neoabsolutismus.
Staatsfinanzen und Politik 1848–1860 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 15), Göttingen 1978.
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115