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LÖSCH, 2. MÄRZ 1875 409
Der Brünner Modus-vivendi-Bischof und Leisetreter hat die Dechante
vertraulich aufgefordert, den Klerus von aller Politik abzumahnen!
Lösch, 26. Februar 1875
Den leider verstorbenen Bischof Schaffgotsch frug ich nach Abschluss des
Konkordats einmal, warum denn die Bischöfe nicht die Übergabe des sog.
Religionsfonds – des schmählichen Residuums aus gestohlenem und ver-
schleudertem Kirchengut – in kirchliche Verwahrung und Verwaltung ver-
langten.
Er gab mir zur Antwort, die Bischöfe hätten dies wohl gewünscht, allein
Kardinal Rauscher habe davon abgeraten und durchgesetzt, dass von dem
Verlangen abgestanden wurde, und zwar mit dem sonderbaren Argument,
es sei besser, der „Staat“ trage die Mühe und Last der Verwaltung, nachdem
jetzt doch den Bischöfen die Rechnungen vorgelegt und von ihnen die Ausga-
ben bewilligt würden!
So ward der Bock zum Gärtner gemacht durch diesen unseligen Rauscher,
der ein wahrer Schädiger der Kirche und Österreichs ist.
Lösch, 27. Februar 1875
Heute Früh an den Opavský týdeník1009 geschrieben und zwei liberale Ka-
tholiken und Staatskirchler abgetrumpft. Dann an Professor Šembera ge-
schrieben, der mir seinen neusten Aufsatz – in welchem er dartut, dass die
Landeseinteilung in den böhmischen Ländern immer nur in kraje [Kreise]
war und die župy [Gaue] aller bisherigen Geschichtsschreiber nicht existier-
ten – zugeschickt hat.
Lösch, 1. März 1875
An den statistischen Zusammenstellungen der Wahlgruppen, der Kopfzahl
und Steuerleistung mit Bezug auf die direkten Reichsratswahlen in den
3 böhmischen Ländern für Baron Reyer gearbeitet. Die Sache macht mehr
Mühe, als man denken sollte. Es fehlt eben noch gar sehr an verlässlichem
und übersichtlich geordnetem statistischem Material.
Lösch, 2. März 1875
Den Vormittag noch mit der Statistik verbracht.
Nach Tische Zeitungen und Briefe gelesen, darunter einen des Bergdirek-
tor Honl. Der brave Mann meint, den Hlas zu verbreiten, würde Schwierig-
keiten haben, da er als „zu kirchlich“ geschildert werde und „unsere Tenden-
zen!“ nicht fördern dürfte. Was doch alle diese „Intelligenzen“ für eine Angst
1009 Opavský týdeník [Troppauer Wochenblatt] (1870–1912).
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115