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LÖSCH, 8. JUNI 1876 465
Lösch, 6. Mai 1876
Gestern Vormittag den Bischof in Brünn besucht, um mit ihm wegen Aufbes-
serung des Krásner Pfarrbenefiziums1144 zu sprechen. Ich sagte ihm unter
anderem: Ich wäre gern dazu praecario modo,1145 und ohne eine bleibende
Verbindlichkeit zu übernehmen, bereit. Das Letztere schon deshalb nicht,
weil ich unter einer kirchenfeindlichen Regierung nichts tun wolle, um einen
sakrilegischen Fonds, den man Religionsfonds nenne und welchen sie durch
Staatsvorschüsse zum Zwecke der Bestechung kirchentreuer Priester neuer-
lich bestehle, zu sublevieren.
Bei diesen Worten verzog der Bischof etwas das Gesicht, hielt aber sonst
ziemlich gute Kontenance.
Prag, 27. Mai 1876
In keinem Reiche und in keinem Staate wohnt die „Regierung“, ihre Organe
und Behörden so fast durchweg – die sich doch bis in die neuste Zeit eine
„katholische“ nannte – in [den] der Kirche gestohlenen Gebäuden! Gebäude
der Landesregierung, Gerichtshöfe, Erziehungshäuser, Kasernen, Kranken-,
Versorgungs-, und Gefangenenhäuser usw. fast ohne Ausnahme sind „aufge-
hobene“, i. e. geraubte Klöster, Stifte und Abteien.
Wo man Josephus II. dicavit etc. liest, ist dies der Fall. Welche Unver-
schämtheit, Dummheit und sittliche Rohheit und Verkommenheit spricht
daraus? Es ist, als hätte man der „Revolution von oben“ nicht genug Monu-
mente setzen können und die kommunistische Lehre und den Auftrag an die
Diebsgelüste der Massen verewigen wollen!
Hat jemals ein andrer silberne Löffel gestohlen, die deutlich das Gepräge
des rechtmäßigen Eigentümers tragen, und seinen Namen draufsetzen las-
sen?
Auf solche Gedanken kommt man überall, am meisten aber in dem alten
herrlichen Prag.
Lösch, 4. Juni 1876
Am 31. [v. M.] beteiligte ich mich an dem großartigen Leichenbegängnis Pa-
lackýs, welches seine Teilnehmer zu Hunderttausenden zählte, die sich in
bewunderswerter Würde und Ruhe verhielten.
Lösch, 8. Juni 1876
In Prag fühle ich mich immer allein so recht unter den Meinen und zuhause.
Da gibt es Anregungen in Fülle, geistiges Leben und Regen. Christliche Aka-
1144 Belcredi war Schirmherr dieser Pfarre.
1145 Gegen Widerruf; aus Gnade.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115