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WIEN, 29. FEBRUAR 1884 703
Wien, 11. Februar 1884
G[ra]f Johann Cziráky1671 gestorben. Wieder ein katholischer bedeutender
Mann, ein österreichischer Ungar – wie der ermordete Mailath – weniger.
Seine letzte verdienstliche Tat war die Organisation und Führung der Op-
position gegen das berüchtigte Mischehegesetz.
Wieder hat Gott einen hervorragenden Arbeiter an den Schutzdämmen
gegen die drohende Sündflut abberufen.
Wieder ein Zeichen, dass der Herr vielleicht das Gelingen dieses Baues
nicht mehr will und die Gerechten in Gnaden vor der Katastrophe zu sich
beruft?
Wien, 21. Februar 1884
Lange Sitzung des Gewerbeausschusses. Endloses leeres Geschwätz.
Dann H[einrich] Clam gesprochen, der von Schaeffle influenziert, sich
entschieden gegen den Normalarbeitstag aussprach! Mir wird immer klarer,
dass Schaeffle, jetzt Bismarcks Ratgeber, nicht will, dass Österreich mit Re-
formen Deutschland zuvorkomme. Das sind bedenkliche Aussichten.
Wien, 27. Februar 1884
Der Drang, mit Ostern die Reichsratssession zu schließen, wird immer lau-
ter. Dann blieben der VI. Abschnitt Gew[erbe]ordnung und Unfallversiche-
rung unerledigt. Der größte politische Fehler, der begangen werden könnte!
Selbst Hohenwart spricht dafür, und viele Polen wollen nach Ostern nicht
mehr kommen.
Wien, 29. Februar 1884
Eine vorläufige Verständigung mit H[einrich] Clam halte ich für kaum mög-
lich, da er unglaublicherweise ganz auf dem belgischen Standpunkt des sog.
freien Arbeitsvertrages steht!1672 Ich werde ganz unbekümmert um ihn und
seine angedrohte Opposition die Beschränkungen der Arbeitszeit im Aus-
schuss durchzubringen suchen. Vor die vollendete Tatsache gestellt, mag er
dann zusehen, sie ungeschehen zu machen.
Er wird sich es wohl überlegen.
Überhaupt sieht es mit den sog. Führern traurig aus. In den 5 Sessionen
keine einzige Programmrede. Kein Mensch weiß, was sie wollen. Sie selbst
wohl auch nicht.
1671 Johann Graf von Cziráky (1818–1884), Mitglied der ungarischen Magnatentafel.
1672 Clam machte geltend, in anderen Staaten herrschten wegen des niedrigeren Zinsfußes
bessere Produktionsbedingungen – ein Argument, dem Belcredi nicht folgen mochte (vgl.
seinen Brief an Vogelsang vom 20.3.1884).
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115