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verwendet hat, dieses Schwanken zwischen der »Heimat Österreich« und dem
»Gastland Amerika« weist Lothar in seiner Autobiographie Das Wunder des
Überlebens dezidiert als einen Loyalitätskonfikt aus, der ihm das Leben in den
1940er Jahren erschwerte. Dieses »Dazwischenstehen« Lothars hat Editha Maria
Grossmann in einer psycholo
gischen Fallstudie genauer beschrieben.46 Über die
Schwierigkeiten, denen sich Rückkehrer gegenübersahen bzw. wie sie die Wider-
stände und den nach wie vor in der Bevölkerung verbreiteten Antisemitismus
wahrnahmen, hat Jacqueline Vansant gearbeitet und auch Ernst Lothars Erfah-
rungen, wie er sie in seinen Memoiren dargelegt hat, in ihre Analyse einbezogen,
in der sie darauf hinweist, dass er darin in seinen Schilderungen des Jahres 1938
seine jüdische Herkunft als Vertreibungsgrund verschweigt bzw. relativiert.47
Daneben wird in einigen Beiträgen auf Ungenauigkeiten in Ernst Lothars
Autobiographie aufmerksam gemacht. Daviau und Johns weisen auf einen
Widerspruch zwischen den Schilderungen Lothars in seinem Essay Öster-
reichs kulturelle Weltbedeutung und jenen in der Autobiographie bezüg lich sei-
ner Grillparzer-
Inszenierungen hin.48 Oliver Rathkolb zeigt auf, dass Lothar
in seinen Memoiren betonte, die Direk tion des Theaters in der Josefstadt aus
eigenem Antrieb niederlegt zu haben. In einem Dokument über die Beanspru-
chung einer Entschädigung für eine Kau tion über 120.000 Schilling für die
Theaterdirek
tionszeit beim Ring österreichischer Bühnenkünstler habe er später
aber angegeben, dass die Beendigung seiner Direk tionsführung unter Zwang
geschah. Auch sei die Darstellung Lothars in seiner Autobiographie, wonach er
aufgrund seiner Weigerung, die Entnazifizierung hintanzustellen, um den Kampf
gegen den Kommunismus zu forcieren, aus dem »US-Dienst« entlassen wurde,
falsch. Vielmehr habe er sich »im Laufe seiner aktiven und persön lich gehaltenen
Kulturpolitik Gegner geschaffen […], die geschickt gegen ihn intrigierten« 49.
Demgegenüber sei abschließend auf einige Ungenauigkeiten und Irrtümer in
der Sekundärliteratur zu Ernst Lothar hingewiesen. So lassen ihn viele Quellen
bereits 1897 statt 1904 nach Wien übersiedeln 50 und 1918 statt 1920 den Bauern-
feldpreis für sein Buch Der Feldherr in Empfang nehmen,51 verwechseln also
46 Editha Maria Grossmann: Die Problematik des Dazwischenstehens, S. 37 f.
47 Jacqueline Vansant: Reclaiming Heimat, S. 18, 47, 64 f., 82, 88.
48 Donald G. Daviau und Jorun B. Johns: Ernst Lothar, S. 333.
49 Oliver Rathkolb: Ernst Lothar, S. 280, 294.
50 Beispielsweise Thomson Gale (Hg.): Biography – Lothar, Ernst (1890 – 1974).
51 Zum Beispiel Desider Stern: Werke von Autoren jüdischer Herkunft in deutscher Sprache,
S. 259.
Quellenlage24
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478