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Nach diesem Erlebnis beschließt Lothar, das Dienstverhältnis zu beenden,65
Budinsky sendet seinen Bericht an den Oberstaatsanwalt Schuster 66 nach Wien,
der mit der Abberufung des zweifachen Vaters einverstanden ist:67 Am 10. August
1915 war Lothars Tochter Agathe Maria Elisabeth zur Welt gekommen; am
19. April 1918 die zweite Tochter, Johanna Maria Erika, genannt Hansi.68 Einen
Monat nach Hansis Geburt, am 21. Mai 1918, verstarb Lothars Mutter »nach
langem, schwerem Leiden« 69 im Alter von 61 Jahren.
Knapp einen Monat nach Kündigung seines Dienstes bei der Welser Staats-
anwaltschaft arbeitete Ernst Lothar bereits als Konzipist für das Department 29
des Handelsministeriums (Sek
tion IV) im Handelsmuseum im Palais Festetics
in der Wiener Berggasse.70
Mit dem Untergang der österreichisch- ungarischen Monarchie und der Aus-
rufung der deutschösterreichischen Republik im November 1918 entschied sich
der 28-jährige Lothar für die österreichische Staatsbürgerschaft und gegen die
der neu entstandenen Tschechoslowakischen Republik. Der Erste Weltkrieg
hatte die Republik Deutsch-
Österreich, als Nachfolgestaat der k. u. k. Monarchie,
wirtschaft lich erschöpft. Die Kriegsfinanzierung, die zerrütteten Staatsfinan-
zen und die Leistungsschwäche der Wirtschaft bedingten die Geldentwertung
nach 1918. Die Infa
tion ging 1922 in das »Stadium der Hyperinfa
tion« über und
konnte erst im Oktober des Jahres dank einer Völkerbundanleihe stabilisiert
werden. Anfang 1919 erreichte die Ernährungskrise ihren Höhepunkt, hoch-
wertige Lebensmittel waren kaum noch erschwing
lich und so gut wie nicht zu
65 Vgl. auch EL: Todesstrafe? Ein Bericht und zwei Fragen. In: Neue Freie Presse, 6. 3. 1932, S. 1 – 4,
hier S. 1 f.
66 Vermut lich handelt es sich hierbei um Eugen Schuster, den Zweiten Staatsanwalt des Wie-
ner Landesgerichts.
67 Über Lothars Tätigkeiten für die Staatsanwaltschaften Wels und Wien lässt sich leider nichts
Präzises sagen, da die Personalakten eines Mitarbeiters 30 Jahre nach seinem Ausscheiden aus
dem Dienst vernichtet werden. (Für diese Auskunft möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn
ADir. Peter Panholzer von der Staatsanwaltschaft Wien bedanken.) – Lothar gibt für seine
Tätigkeit als Rechtspraktikant und Auskultant beim Oberlandesgericht Wien sowie bei der
Staatsanwaltschaft Wels und Wien den Zeitraum vom 24. April 1914 bis zum 31. Mai 1918 an.
Vgl. Brief von EL an das Bundesministerium für Unterricht, Bundestheaterverwaltung. Wien,
8. November 1961. WBR, ZPH 922a.
68 Geburts- und Taufschein Agathe Müller. 30. August 1915, Abschrift vom 1. Oktober 1915. Burg-
theaterarchiv, Kassette Ernst Lothar; Geburts- und Taufschein Johanna Müller. 12. Mai 1918,
Abschrift vom 3. April 1933. WBR, ZPH 922a.
69 Neue Freie Presse, 23. 5. 1918, S. 12.
70 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 33.
1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 39
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478