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Irr licht der Welt war der erste Teil einer Romantrilogie mit dem Titel Macht
über alle Menschen, die Lothar Anfang der 1920er Jahre verwirk lichte: Im Zwei-
jahresrhythmus erschienen die Bände Irr licht der Welt (1921), Irr licht des Geistes
(1923) und Licht (1925).78 Die Rechte hatte sich Ende 1920 der Georg Müller
Verlag für seine Thespis- Romanabteilung gesichert. Die Zusammenarbeit mit
dem Münchner Verlag währte ungefähr fünf Jahre, wurde dann vermut lich
wegen mangelnden Erfolges jener Lothar- Bücher, die der Verlag ins Programm
aufgenommen hatte, beendet.
Der erste Band der Trilogie Macht über alle Menschen erzählt die Geschichte
des Scharfrichters Vitus Gottvogt, der aus Rache an der Gesellschaft als »Herr
über Leben und Tod« Macht über eben dieselbe gewinnen möchte. Vitus und
seiner Familie schlägt von Anfang an Hohn und Verachtung entgegen: Seine
Mutter wurde von einem Säufer vergewaltigt, den sie nach seiner Entlassung aus
der Haft heiratet. Vitus wird 29-jährig Henker in Wien. Gleichzeitig verschafft
er sich als Franz Freiherr von Florestin Zugang zu den höheren Kreisen. Sein
Doppelleben führt er eine Zeitlang unentdeckt, doch schließ lich bricht sein
Konstrukt in sich zusammen und Vitus möchte, nachdem er es über körper-
liche Gewalt, Betrug, Frauen und Geld nicht zur »höchsten Menschenmacht«
gebracht hat, nun die Welt durch Geist beherrschen.
Dass Vitus Gottvogt zum Wiener Scharfrichter ernannt wird, kam Zeitge-
nossen Lothars verwunder lich vor: Das Amt wurde normalerweise innerhalb der
Familie weitergegeben, vom Vater auf den Sohn. Doch es gab auch Ausnahmen.
Ein Jahr, bevor Irr licht der Welt erschien, veröffent lichte der letzte k. k. Scharf-
richter Josef Lang seine Memoiren – mög licherweise eine Inspira tionsquelle
Lothars. Der 1855 geborene Lang arbeitete zunächst als Tischler und Heizer,
bevor er in Wien ein Kaffeehaus eröffnete. Hier zählte der Wiener Scharfrich-
ter bald zu seinen Stammgästen. Dieser überredete ihn, ihm bei Hinrichtungen
zu assistieren, und als der Henker starb, wurde Lang im Jahre 1900 per Dekret
zum Scharfrichter von Wien ernannt. Lang war eine Person des öffent lichen
Lebens (er wurde etwa von Egon Erwin Kisch interviewt), genoss bei seinen
Mitmenschen großes Ansehen, und auch die Damenwelt lag ihm zu Füßen.79
78 EL: Irr licht der Welt. München: Georg Müller 1921 (= Macht über alle Menschen; Bd. 1). 322 S.
EL: Irr
licht des Geistes. München: Georg Müller 1923 (= Macht über alle Menschen; Bd. 2). 292 S.
EL: Licht. München: Georg Müller 1925 (= Macht über alle Menschen; Bd. 3). 296 S.
79 Vgl. Oskar Schalk (Hg.): Scharfrichter Josef Lang’s Erinnerungen. Leipzig, Wien: Leonhardt-
Verlag 1920. Vgl. auch Harald Seyrl (Hg.): Die Erinnerungen des österreichischen Scharfrichters.
Erweiterte, kommentierte und illustrierte Neuauflage der 1920 erschienenen Lebenserinnerun-
gen des k. k. Scharfrichters Josef Lang. Wien, Scharnstein: Edi tion Seyrl 1996.
1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 41
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478