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Seine Karriere als Beamter fĂĽhrte den Freimaurer Lothar 123 vom Konzipisten
und Kommissär im Handelsmuseum zum Sek tionsrat im Staatsamt für Han-
del bzw. zum Ministerialrat im Bundesministerium fĂĽr Handel und Verkehr.124
1925 beschloss Lothar nach elf Jahren als pragmatisierter Bundesbedienste-
ter, aus dem Staatsdienst auszutreten, sich 34-jährig pensionieren zu lassen und
fortan als Theaterkritiker für die Neue Freie Presse zu arbeiten. Die Präsident-
schaftskanzlei Wilhelm Miklas’ teilte Lothar Ende Juni mit, dass ihm anläss lich
seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienst vom Bundespräsidenten der Titel
eines Hofrats »taxfrei verliehen« 125 worden sei.
Ăśber die EindrĂĽcke und EinfĂĽsse, die der Staatsdienst mit sich brachte,
hielt Lothar fest:
[Ich habe] die Zeit, die ich im Staatsdienste verbrachte, dankbar in Erinnerung […].
Sie gab mir in jeder Hinsicht viel. Sowohl als junger Staatsanwaltssubstitut, erst
in Wels, dann in Wien, als auch später im Ministerialdienst habe ich Erfahrungen
gesammelt, die dem Romanschriftsteller und dem unbedingten Anhänger Österreichs
wohl zustatten kamen. GroĂź ist die Anzahl hervorragender, vortreff
icher Männer, die
ich von dem Augenblick, da ich als vierundzwanzigjähriger k. k. Auskultant meine
(S. 174). Im Biographischen Handbuch der deutschsprachigen Emigra
tion nach 1933 wird Lothar
als »recht licher Mitbegründer der Salzburger Festspiele« (»legal co- fdr. with Max Reinhardt
of Salzb. Fest.«) angeführt (Bd. 2, S. 749 f.).
123 Am 28. Mai 1924 wurde Ernst Lothar in die Freimaurerloge »Kosmos« aufgenommen, also in
die Ende 1918 gegrĂĽndete GroĂźloge von Wien (GLvW). Neben Vertretern der Sozialdemo-
kratie rekrutierten sich die Mitglieder vor allem aus dem Wirtschaftsleben, der Ă„rzteschaft,
der Jurisprudenz und aus KĂĽnstlern. Neben Lothar waren beispielsweise Felix Salten, Fritz
GrĂĽnbaum, Edmund Eysler, Heinrich Eduard Jacob (Korrespondent des Berliner Tageblatts
in Wien), Maximilian Schreier (Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung Der
Morgen – Wiener Montagsblatt) und Paul Busson (Neues Wiener Abendblatt) Mitglieder der
GLvW (vgl. Marcus G. Patka: Ă–sterreichische Freimaurer im Na tionalsozialismus, S. 18 f.).
Die GLvW zählte 1934 24 Logen mit rund 1800 Mitgliedern. Unter den Na tionalsozialisten
wurde die Freimaurerei verboten, die Akten bzw. Aufzeichnungen der Freimaurerloge wurden
1938 von der SS beschlagnahmt und nach Berlin gebracht. Ăśber den Umweg DDR gelangten
sie schlieĂź lich nach Moskau. Ernst Lothar hat nach seiner RĂĽckkehr nach Ă–sterreich (1946)
keine Ambi tionen mehr gezeigt, erneut in die Loge einzutreten, seine Mitgliedschaft galt
somit – seit 1938 – als erloschen. – Für die Auskunft möchte ich mich an dieser Stelle sehr
herz lich bei dem Archivar der GroĂźloge von Ă–sterreich bedanken.
124 Vgl. Brief von EL an Karl Wache. Wien, 21. Mai 1927. Ă–NB, H 23/67, 539/73-2; Brief von
EL an das Bundesministerium fĂĽr Unterricht, Bundestheaterverwaltung. Wien, 8. November
1961. WBR, ZPH 922a. Vgl. auch Pensionsakt Ernst Lothar. a. a. O.
125 Brief von Wilhelm Klastersky an EL. Wien, 30. Juni 1925. a. a. O.
1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 51
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478