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den sogenannten »Sitt
lichkeitsparagraphen« zu verwirk lichen. Mitte Dezember
sollte das Pressegesetz beschlossen werden.53
Am 22. November 1929 protestierte die Sek
tion Literatur des Gesamtver-
bands schaffender Künstler Österreichs gegen die Absichten des Justizmi-
nisters.54 Ernst Lothar versuchte, den beabsichtigten Gesetzesentwurf vor der
Ratifizierung abändern zu lassen, wies darauf hin, dass es unhaltbar sei, dass die
Regierungsvorlage nicht ausdrück lich alle Erzeugnisse »von künstlerischem und
wissenschaft lichem Wert« der Strafandrohung entziehe, und warnte vor einer
Schädigung der interna tionalen Reputa tion Österreichs durch dieses Gesetz.
Die Regierung setzte ihr Vorhaben allerdings ohne Änderungen um: Der in
das neue, äußerst reak tionäre Pressegesetz eingeführte Paragraph, der die Ver-
breitung von Büchern, die »das Geschlechtsgefühl der Jugend überreizen oder
irreleiten« 55, als strafbare Handlung klassifizierte, blieb.56
Nachdem die gewünschte Liberalisierung nicht hatte erreicht werden können
und das Pressegesetz ohne die erhofften Änderungen in Kraft getreten war, legte
Lothar sein Amt als Präsident des Gesamtverbands nieder.57 Der Verband löste
sich am 30. November 1934 auf,58 weil sein Hauptanliegen – die Bildung einer
Künstlerkammer – nicht umgesetzt werden konnte, da sich die verschiedenen
Künstlergruppen »gegenseitig bekämpften« und »eine einheit liche Stellungnahme
zum ständischen Aufbau einer Berufsorganisa
tion nicht zustande kam«.59 Eine
bleibende Spur hinterließ der Verband in Form eines 1929 in Wien erschienenen
Buchs,60 dessen Erlös der Unterstützung »notleidender Künstler« dienen sollte.61
In dem Buch des Gesamtverbandes schaffender Künstler Österreichs, das sich als
»erstes repräsentatives Gesamtwerk österreichischer Kunst« verstand, finden sich
53 Vgl. Arbeiter-
Zeitung, 16. 11. 1929, S. 1 f.; vgl. auch Neue Freie Presse, 5. 12. 1929, S. 7; ebd. (Abend-
blatt), 18. 12. 1929, S. 2 und 19. 12. 1929, S. 1 f.
54 Arbeiter- Zeitung, 24. 11. 1929, S. 3 und 22. 12. 1929, S. 2.
55 Neue Freie Presse, 19. 11. 1929, S. 4; 22. 11. 1929, S. 5 und 22. 11. 1929 (Abendblatt), S. 2.
56 Vgl. Alfred Pfoser: Literatur und Austromarxismus, S. 204; Neue Freie Presse, 20. 12. 1929, S. 2 f.
und S. 5 sowie 31. 12. 1929, S. 5.
57 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 73.
58 Vgl. auch Gerhard Renner: Pläne zu einer österreichischen »Kammer des Schrifttums«, S. 331.
59 Wiener Sonn- und Montags- Zeitung, 24. 12. 1934, S. 6.
60 Das Buch des Gesamtverbandes schaffender Künstler Österreichs. Wien: Elbemühl 1929. –
Weitere geplante Jahrbücher des in der Wipplingerstraße 20 angesiedelten Gesamtverbands
wurden jedoch nie verwirk licht.
61 Vgl. Rundschreiben an Franz Karl Ginzkey. Wien, 20. November 1928. WBR, H. I. N. 189123;
Postkarte von EL an Franz Karl Ginzkey. Wien, 17. Dezember 1928. WBR, H. I. N. 189123.
1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor
sind«62
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478