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opposi tioneller Autoren in Deutschland und die Bücherverbrennungen im
»Dritten Reich« Themen. Doch als sie zur Sprache kamen, verließen die deut-
schen P. E. N.-Mitglieder den Saal, und Grete von Urbanitzky schloss sich ihnen
an: »Diese Solidarisierung Urbanitzkys mit den Deutschen stand in krassem
Widerspruch zu der neutralen Haltung, zu der die österreichischen Delegierten
laut Beschluss des Vorstandes des Wiener P. E. N. sich verpfichtet hatten.« 104
Der Interna tionale P. E. N.-Club verabschiedete eine Resolu tion für die Mei-
nungsfreiheit mit den Stimmen aller Delegierten, außer jenen der deutschen.105
Ende Juni 1933 wurde eine Generalversammlung des Österreichischen P. E. N.
im Wiener Hotel Imperial einberufen. Jene Mitglieder, die mit der Vertretung
des Österreichischen P. E. N. in Dubrovnik durch Salten 106 und Urbanitzky
nicht einverstanden waren, hatten eine Resolu tion und einen Misstrauensan-
trag gegen den Vorstand vorbereitet. Felix Salten erklärte infolgedessen seinen
Rücktritt als Präsident. Der Misstrauensantrag wurde zwar nicht eingebracht,
die Resolu
tion aber wurde mit 25 zu 15 Stimmen angenommen. Sie sollte den
in Ragusa verabsäumten deut lichen Protest gegen die Schriftstellerverfolgung
in Deutschland nachholen und hielt fest, dass der Österreichische P. E. N. »den
im heutigen Deutschland unterdrückten, ihrer Freiheit beraubten Männern und
Frauen des Geisteslebens« seine Sympathien zum Ausdruck bringe und jener
gedenke, »die ihr Eintreten für die Geistesfreiheit mit Gefängnis und Emigra-
tion zu bezahlen haben«.107 Ernst Lothar unterzeichnete diese von Rudolf Jere-
mias Kreutz eingebrachte Protestresolu tion neben 24 weiteren Schriftstellern.108
Grete von Urbanitzky forderte daraufhin in einem Artikel die Leser und
Verleger im »Dritten Reich« auf, die Unterzeichner der »deutsch-
feind lichen«
Wiener P. E. N.-Resolu
tion zu boykottieren bzw. durch wirtschaft
liche Sank-
tionen zu strafen. Dieser Artikel Urbanitzkys hat unter anderem dazu beigetra-
gen, dass viele der Autoren, die für die umstrittene Resolu
tion gestimmt hatten,
in der ersten offiziellen Verbotsliste des Deutschen Reichs auftauchten:109 Von
104 Klaus Amann: P. E. N., S. 29.
105 Vgl. Neue Freie Presse, 31. 5. 1933, S. 3.
106 Vgl. ebd., 2. 6. 1933, S. 5.
107 Gerhard Renner: Österreichische Schriftsteller und der Na tionalsozialismus, S. 37.
108 Lothar hatte dem Kongress in Ragusa nicht beigewohnt, er stand nicht auf der offiziellen Teil-
nehmerliste. Vgl. Ursula Huber: Frau und doch kein Weib. Zu Grete von Urbanitzky, S. 185.
109 Aufgrund von Urbanitzkys Informa
tionen druckten weitere deutsche Zeitungen Boykottauf-
rufe, die der Argumenta tion Urbanitzkys g
lichen. Die 25 Resolu tionsunterzeichner wurden
nament lich mit Verlags- und Buchtitelangaben genannt und es wurde explizit zum Boykott
Gegenseitigkeitskorruption und »unerwünschtes Schrifttum« 71
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478