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unter dem Bundeskanzler Seyß-
Inquart eine Loyalitätserklärung schickte, worin
er seine Bereitschaft zur weiteren Mitarbeit am Kulturleben Wiens erklärte« 165.
Ernst Lothar selbst schreibt in seinen Memoiren, dass Hansi mit der Tochter
Seyß-
Inquarts befreundet gewesen sei und davon ausging, dass diese bei ihrem
Vater für Lothar intervenieren würde.166 Ob diese Annahme begründet war, muss
dahingestellt bleiben, gesichert ist aber, dass diese Interven
tion, falls sie denn
stattfand, ohne Wirkung blieb.
Das letzte Theaterstück, das unter Ernst Lothars Direk
tion im Theater in der
Josefstadt über die Bühne ging, war Henri Bernsteins Reise. Diese dreiaktige
Komödie hätte am 15. März 1938 in den Kammerspielen mit Karl Paryla, Maria
Bard und Erik Frey aufgeführt werden sollen. Die Kammerspiele hatten aber mit
diesem Datum ihren Betrieb endgültig eingestellt, wie es hieß, sodass das Stück
am 16. März im Theater in der Josefstadt gegeben werden sollte. Am 16. März
blieb das Theater jedoch »wegen Vorbereitung der Premiere« geschlossen, die
Aufführung fand am darauffolgenden Tag statt. Am 18. März wurde im Thea-
ter in der Josefstadt zunächst die »Führerrede« übertragen, dann erst wurde die
Komödie gegeben. In der Kritik der Reichspost dazu heißt es, dass die Josefstadt
zurzeit über kein anderes einstudiertes Stück verfüge und daher gezwungen sei,
die Komödie, die »volksfremd und unbegreif
ich leicht […] vorüberplätschert«,
weiterzuspielen, bis das nächste Stück aufgeführt werden könne, das »so recht
geeignet sein wird, den Zusammenklang österreichischen Geistes mit deutschem
Geiste auch auf dem Theater in reinstem Akkorde wahrnehmbar zu machen« 167.
Das Stück, das den neuen Anforderungen entsprechen sollte, war Lessings
Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück mit Paula Wessely in der Titelrolle,
das am 20. April 1938 als Fest- und Galapremiere anläss lich Hitlers Geburtstags
aufgeführt wurde. Bernsteins Reise brachte es im Josefstädter Theater insgesamt
auf nur sechs Aufführungen.
Bereits am 12. März wurde Robert Valberg – Schauspieler am Theater in
der Josefstadt, Mitglied des Jelusich-
Vereins »Deutsche Bühne« und seit 1932
Mitglied der österreichischen NSDAP – mit der kommissarischen Leitung des
Rings österreichischer Bühnenkünstler betraut und ernannte daraufhin in allen
Theatern die Betriebszellenleiter.168 Am selben Tag erschienen die Schauspie-
ler Robert Horky und Erik Frey in Lothars Direk tionsbüro und gaben sich als
165 Zitiert nach Edda Fuhrich- Leisler: Vom Wunder des Überlebens, S. 221.
166 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 107.
167 Reichspost, 19. 3. 1938, S. 13.
168 Neues Wiener Journal, 15. 3. 1938, S. 13 und 16. 3. 1938, S. 12.
1935 – 1938: Theater in der
Josefstadt128
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478