Page - 130 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Autobiographie, dass er anschließend seinem Theater einen letzten Besuch
abstattete und einen Brief an die Pächter des Hauses schrieb, in dem er Hans
Thimig, den Schwager Max Reinhardts, als seinen Nachfolger empfahl.172
Am 15. März erfuhr die Öffent
lichkeit, dass »[i]m Sinne der Neuordnung
in Österreich […] auch eine Säuberungsak
tion in den Wiener Theatern Platz
gegriffen« habe und dass im Theater in der Josefstadt »ein frischer Wind wehe«.173
Die Schauspieler hätten Robert Horky und Erik Frey mit der Vertretung ihrer
Interessen betraut, Zuckmayers Bellman werde nicht aufgeführt. Tags darauf
schrieb Lothar an Valberg:
[F]ür den Fall meines Rücktrittes würde ich Sie aufrichtig bitten, im Interesse des
Theaters in der Josefstadt und seiner ständigen Weiterführung während der Über-
gangszeit meine Agenden zu übernehmen und gemeinsam mit der daraus ernannten
Betriebszellenleitung zu führen. Wie ich weiß, würden die Herren Horky und Frey
dies besonders begrüßen[,] und ich, meinerseits, bin überzeugt, daß dann das ins
Auge gefaßte Provisorium die für das Theater i. d. J. denkbar beste Lösung darstellen
würde. Sie kennen ja das Theater seit langem genau und die Spielplanfolge wie alles
übrige sind im Einvernehmen mit den Herren der N. S. P. D. so weit festgelegt, daß
an Ihre so überaus in Anspruch genommene Zeit nicht zu große Anforderungen
gestellt werden würde[n].174
Am 18. März jubelte der Völkische Beobachter, dass die Zeit »der Verjudung in
den Wiener Theatern« nun endgültig vorbei sei, und ließ seine Leser über Ernst
Lothar wissen:
Der Jude Ernst Lothar, Direktor an dem Theater an [sic] der Josefstadt, hatte für alle
arischen Autoren die gleiche Antwort. Die Kultur Österreichs trage laut geschicht-
licher Entwicklung die Richtung öst lichen Geschmacks. In seinen Augen waren die
armen Gojs eben mit der Zeit nicht mitgekommen. […] In den Kammerspielen kre-
denzte Jude Lothar seinem Publikum kriminelle Werke eng lischer Epileptiker […].
bei Amtsdirektor Bruno Sp lichal und Fachinspektorin Christa Vrba, denen ich die Publika-
tionserlaubnis für dieses Dokument verdanke.
172 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 114. Darüber hinaus schildert er den Ablauf seiner
Flucht aus Österreich so, als wäre sie am 13./14. März vonstattengegangen, er verließ das Land
aber erst am 20. März.
173 Neues Wiener Journal, 15. 3. 1938, S. 12. Vgl. auch: The Jewish Chronicle, 1. 4. 1938, S. 42 f.;
Palestine Post, 5. 4. 1938, S. 3.
174 Brief von EL an Robert Valberg. Wien, 16. März 1938. WBR, ZPH 922a.
1935 – 1938: Theater in der
Josefstadt130
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478