Page - 133 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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einher gingen Vermögensbeschlagnahmung, Aberkennung akademischer Grade
und die Kriminalisierung der AusgebĂĽrgerten. Die AusbĂĽrgerungslisten waren
öffent
lich angeschlagen.184 In den Akten des Reichssicherheitshauptamts Berlin
gab es seit Anfang 1940 eine »Liste der erfassten österreichischen Emigranten«,
wobei die darunter vertretenen 79 Prominenten – neben Friedrich Adler, Otto
Bauer, Franz Werfel, Stefan Zweig u. a. auch Ernst Lothar – zur »vordring
lichen
Bearbeitung« urgiert werden.185 Anfang 1941 wurde »dem Juden Dr. Lothar Ernst
Israel Müller und seiner jüdischen Gattin Adrienne Sara geborene Geiringer«
die Staatsbürgerschaft aberkannt und ihr Vermögen »sichergestellt«.186 Der
Wertpapiere konnte man nicht habhaft werden,187 so erklärte man die Liegen-
schaft in Morzg »als dem Reiche verfallen«. Doch das Morzger Grundstück
war mittlerweile mit Pfandrechten belastet, daher wurde »zur Hereinbringung
der vollstreckbaren Forderung« von RM 5657 zunächst ein Versteigerungsver-
fahren ĂĽberlegt. Dazu kam es dann aber nicht, man wollte das Haus verkaufen.
Die Möbel hatte Adriennes Schwester Margarethe Bukovics schon bald nach
der Flucht Lothars aus Morzg abgeholt, somit waren »keine Vermögenswerte
des Dr. Ernst Lothar Müller für das Reich greifbar« 188.
Lothar hatte noch am 19. März 1938, dem Tag seiner Direk tionsübergabe, mit
Hansi zusammen die Flucht ergriffen. Da sie erst am Nachmittag Wien mit
dem Auto verlieĂźen, waren sie gezwungen, ĂĽber Nacht in Ă–sterreich zu bleiben,
schafften sie es doch nicht, den Weg in die Schweiz auf einmal zurĂĽckzulegen.
In Kitzbühel wurde übernachtet, am 20. März weitergefahren. In St. Anton aber
wurden sie angehalten, mussten einem Ăśberfallskommando der SA den Wagen
überlassen: »Die Haft dauerte allerdings nur drei Stunden, da ich den mich
verhaftenden Organen der SA meinen völlig neuen Wagen als Gegenleistung
anbot.« 189 Im Zug überquerte Ernst Lothar mit seiner Tochter von Feldkirch
aus die Grenze in die rettende Schweiz.190
184 Hannelore Burger und Harald Wendelin: Vertreibung und StaatsbĂĽrgerschaft, S. 282.
185 Ebd., S. 281.
186 Die AusbĂĽrgerung Ernst Lothars und seiner Frau wurde auch im Deutschen Reichsanzeiger,
Nummer 25, vom 30. Januar 1941 bekannt gegeben.
187 Brief der Länderbank Wien, Aktiengesellschaft an das Finanzamt Moabit-
West, Berlin. Wien,
17. Juni 1941. Ă–StA, AdR, 2.921.236, VMA Nr. 50.640.
188 Brief von Stephan Lehner an das Finanzamt Moabit-
West, Berlin. [Wien,] 26. Juni 1941, a. a. O.
189 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 117 – 122. Vgl. auch Aktenvermerk, 17. September 1962.
Ă–StA, AdR/06, Hilfsfonds, Kt. 1654, AZ 6548/1R: MĂĽller, Ernst Lothar, fol. 20.
190 Ă–sterreichischer Reisepass, ausgestellt auf Ernst Lothar am 3. Februar 1930. WBR, ZPH 922a.
1935 – 1938: Theater in der Josefstadt 133
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478