Page - 159 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Image of the Page - 159 -
Text of the Page - 159 -
nach New Jersey. Thomas Mann empfing den unangemeldeten Gast sehr freund-
lich und ermutigte ihn einerseits weiterhin zu schreiben und andererseits dazu, sich
um ein deutschsprachiges Theater in New York zu bemühen.111 Beide Anregungen
nahm Lothar ernst, zunächst machte er sich aber daran, Letztere aufzugreifen.
Das Unternehmen wurde Die Österreichische Bühne (»The Austrian Theatre«)
genannt und am 12. März 1940 beim Notar als Geschäft eingetragen;112 drei Dollar
kostete Lothar die Eröffnung des Theaters. Er war Direktor und Regisseur, Raoul
Auernheimer Dramaturg, und Wilhelm Chmelnitzky ( William W. Melnitz) wurde
als Regisseur angestellt. Lothar mietete das Therese-
L.-Kaufmann-
Auditorium als
Aufführungsort um 100 Dollar je Vorstellung. Das Auditorium war ein Theatersaal
des Drama Department der Y. M. H. A. (Young Men’s Hebrew Associa
tion) in
1395 Lexington Avenue und 92. Straße. Die Y. M. H. A. war 1847 gegründet wor-
den, geboten wurden Diskussionen, Vorlesungen zu geschicht
lichen, wissenschaft-
lichen und literarischen Themen sowie Unterricht in Deutsch, Hebräisch und
Franzö
sisch, Buchhaltung, Zeichnen und Musik. William Kolodney war hier seit
1934 als Educa
tional Director tätig und plante ein »Art and Drama Department«
sowie die Etablierung von Theateraufführungen in großem Stil. 1936 schuf er ein
Jewish American Theatre, gespielt werden sollten sozialkritische jüdische Stücke.113
In eben diesem Saal des Drama Departments sollten nun die Darbietungen der
Österreichischen Bühne stattfinden. Die Aufführungen waren in den deutsch-
sprachigen Zeitungen New Yorks freudig angekündigt worden,114 die Karten-
preise lagen zwischen 75 Cent und 1,25 Dollar. Zu beziehen waren sie entweder
in dem Büro der Österreichischen Bühne in Zimmer 259 des Theatergebäudes
oder über die 1939 in New York von dem Ethnologen und Archäologen Robert
Heine-
Geldern gegründete Austrian American League, deren Mitglieder eine
40-prozentige Ermäßigung bekamen.115
Die Gründung des Austrian Theatre war nicht nur von den Zeitungen begrüßt
worden, sondern auch von der American Guild for German Cultural Freedom,
der u. a. Thomas und Erika Mann,116 Sigmund Freud und Dorothy Thompson
111 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 156 f.
112 Certificate of the Austrian Theatre. New York, 12. März 1940. WBR, ZPH 922a.
113 Vgl. Naomi M. Jackson: Converging Movements, S. 31.
114 Vgl. Aufbau, 29. 12. 1939, S. 8; New Yorker Staats- Zeitung, 4. 1. 1940; Aufbau, 5. 1. 1940, S. 9. –
Neben der Emigrantenpresse brachte auch die New York Times (5. 1. 1940, S. 21) eine kurze
Notiz über die Gründung des österreichischen Theaters.
115 Vgl. Aufbau, 29. 12. 1939, S. 8.
116 Thomas Mann gratulierte Lothar in einem Schreiben zu der Theatergründung und spendierte
einen Scheck für die Schauspieler (neben Adrienne Gessner traten u. a. Oskar Karlweis, Lilian
Eine »Österreichische Bühne« in New York 159
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478