Page - 186 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Zitat aus Vergils Georgica.251 Lothar ist mit dieser Wahl unzufrieden, war doch
Dorothy Thompsons und Fritz Kortners 1940 erschienenes StĂĽck Another Sun in
seinen Augen ein »kompletter Flop« 252; dennoch bleibt es schließ
lich bei dem Titel.
Zwei Monate vergehen, ohne dass Lothar etwas von seinem Verleger bzw. dessen
Lektor Costain hört, seine zunächst positive Stimmung verkehrt sich in tiefen
Pessimismus, er erwartet nun nur noch »Schwarzes« von der Verlegernachricht.253
Seine Befürchtungen erweisen sich jedoch als völlig unbegründet. Am 1. Okto-
ber 1942, nachdem er Costains Antwortschreiben bekommen hatte, ist er »sehr
glück lich«, auch weil die Einwände, die der Lektor hatte, »geradezu minimal
sind« 254. Der Haupteinwand ist, dass Lothar eine Vielzahl an realen Personen bzw.
deren Namen ins Spiel gebracht hatte. Der Verlag sah darin eher eine Gefahr
denn einen Nutzen: »You have used real names in a great many cases and we
do not feel that it is a wise policy. It does not add anything at all to the novel,
and it does lay you open to possible pitfalls.« 255 Es sei besser, wenn alle in dem
Buch auftretenden Personen nur erfunden seien, kein RĂĽckschluss auf irgend-
welche tatsäch lichen lebenden Personen dürfe mög lich sein (mit Ausnahmen
von Personen wie Reinhard Heydrich, dem stellvertretenden Reichsprotektor
von Böhmen und Mähren, und SS-Obergruppenführer Konrad Henlein). Die
detailgetreue Schilderung mancher Ă–rt lichkeiten (etwa der Pilsener Ĺ koda-
Werke) und mancher Aktivitäten der Untergrundkämpfer würden den Verdacht
nahelegen, dass es sich hierbei um einen Tatsachenbericht handele. Dies mĂĽsse
aber vermieden werden, daher seien einzelne Darstellungen aus dem Roman zu
streichen oder den Vorgaben gemäß zu modifizieren. Bei der in der Geschichte
251 Die Georgica sind ein Lehrgedicht in vier BĂĽchern ĂĽber Ackerbau, Baumkultur, Vieh- und
Bienenzucht. Das Zitat stammt aus dem zweiten Teil des zweiten Buchs, und zwar aus den
Versen 510 – 512: »[…] Befleckt mit dem Blut ihrer Brüder, / Tauschen andere leicht das ver-
traute Haus mit Verbannung, / Suchen sich ungerührt unter anderer Sonne die Heimat« (vgl.
Vergils Gedichte, S. 123). – Der Titel des Romans ist also nicht sehr günstig gewählt, impli-
ziert er doch eine Parallele zwischen gejagten Verbrechern (Brudermördern) und Exilanten
bzw. den aus ihrer Heimat Vertriebenen in der Hitlerzeit. Auch ist in dem Vergil-
Zitat davon
die Rede, diese Menschen wĂĽrden ihre Heimat ungerĂĽhrt, sogar froh verlassen, um ins Exil
zu gehen, was auf FlĂĽchtlinge und Zwangsumgesiedelte wohl nicht zutrifft.
252 Ernst Lothar hat diese Assozia
tion auf das Telegramm von Thomas B. Costain geschrieben
(New York, 24. August 1942. WBR, ZPH 922a).
253 Vgl. Briefe von EL an AG. Colorado Springs, 24., 25., 26. und 28. September 1942. WBR,
ZPH 922a.
254 Brief von EL an AG. Colorado Springs, 1. Oktober 1942. a. a. O.
255 Brief von Thomas B. Costain an EL. New York, 29. September 1942. a. a. O.
1938 – 1946:
Exil186
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478