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Werfel ging allerdings auf Lothars Bitte nicht ein, sah sich vielmehr außer-
stande, eine solche »Maßarbeit« auf sich zu nehmen.462 Auch wurden Lothars
und Auernheimers Berichte offenbar nicht verwertet; außer in einem Brief an
Auernheimer (»Czernin scheint mit unseren Kultur-
Beiträgen nichts anzufangen
und hüllt sich in Schweigen.« 463) werden weder die Beiträge noch die »Kultur-
mission« jemals wieder erwähnt. In einem in der Austro American Tribune abge-
druckten Beitrag aber, der vermut lich auf Lothars erwähntem Bericht beruht,
äußert sich Lothar »über das Theater im neuen Österreich« wie folgt:
Das Theater im neuen Österreich muss es als eine seiner neuen Pfichten ansehen,
auf der Bühne vollendeten Anschauungsunterricht zu geben und den Genera tionen
erlebnishaft zu zeigen: wovor sie sich wie vor dem Teufel zu bewahren und was sie wie
das Höhere zu ehren haben. Mit anderen Worten: das österreichische Theater wird
die na
tionalsozialistische Schande nicht aus dem Bewusstsein verschwinden lassen
dürfen und die Grö[ß]e der Demokratie zu Bewusstsein bringen müssen. Die neuen
Zeitungen, das neue Radio, vor allem die neuen Lehrbücher haben dieselbe Pficht.464
Ein »neues Österreich« rückte ab 1942 wieder in den Bereich des Mög lichen. Im
Dezember 1941 traten die USA nach dem japanischen Angriff auf ihre Pazifik-
fotte vor Pearl Harbor in den Zweiten Weltkrieg ein. Lothar hatte ein »Triumph-
gefühl, ja unsäg liches Glücksgefühl, weil Krieg erklärt« 465 worden war. Verges-
sen waren seine 1916 publizierten pazifistischen Weltbürger lichen Betrachtungen:
Dachte ich nicht an die Greuel, die ich in Reden und Schriften während des Ersten
Weltkrieges fanatisch bekämpft [hatte] […]? Dachte ich nicht an jene, die sie würden
erdulden müssen? An mich dachte ich. An meinesgleichen. An das »Aug’ um Aug’«,
das mir Unerträg lichste, seit ich denken konnte. Da war, end lich, end lich Krieg erklärt,
damit mir und meinesgleichen Gerechtigkeit widerfahre – vor lauter Genugtuung
geriet ich außer Rand und Band.466 […] Ich hatte ihn gewollt, den Krieg, hatte ihn
mit allen Fasern meines Daseins erhofft […]. Denn was anderes als Vergeltungssucht
462 Ebd.
463 Brief von EL an Raoul Auernheimer. [New York,] 2. Juli 1945. Zitiert nach Donald G. Daviau
und Jorun B. Johns: Ernst Lothar, S. 347.
464 EL: Zum Thema Österreich. In: Austro American Tribune, Dezember 1944.
465 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 177. – Lothar befürwortete offenbar bereits seit 1940 einen
Krieg gegen das »Dritte Reich« (vgl. auch Brief von Hans Müller an EL. Einigen, 11. Juli 1940.
WBR, ZPH 922a).
466 Ebd., S. 177 f.
Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 227
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478