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Gustaf Gründgens’ Theateraktivitäten während des Krieges: »›Sie glauben
doch nicht, daß das, was Sie da gemacht haben, Kunst war.‹ Clemens Krauss
war das damals kaum eine Replik wert – er seufzte nur im Anschluß: ›Dabei
war ein Räuspern von Gründgens mehr wert, als der ganze Lothar.‹« 20 Lothar
teilte Richard Strauss also Ende 1946 mit, dass Krauss untragbar sei, Karajan
aber eventuell freigegeben. Strauss wurde zwar von den offiziellen Stellen mit
dem Hinweis auf seine EinbĂĽrgerung in Ă–sterreich unter Druck gesetzt,21
dennoch fand die Aufführung der Oper erst 1952 statt – mit Clemens Krauss
am Dirigentenpult.22
Seine Unnachgiebigkeit in manchen Fällen 23 wurde argwöhnisch beobachtet,
man kreidete ihm an, eine Art Rächer spielen zu wollen; Jannings etwa bezeich-
nete ihn als »Rache-
Lothar«.24 Auch hatte Lothar bereits vor seinem Amts-
antritt Carl Zuckmayer »einen langen Vortrag« gehalten, in dem er vor zu großer
Milde warnte, denn »›Stolz‹ dürfe es in Deutschland, auch bei Nicht-
Nazis fĂĽr
15 Jahre nicht geben«, wie Zuckmayer in einem Brief an seine Frau vom 18. April
1946 schreibt. Zuckmayer, der als ziviler Kulturbeauftragter des amerikanischen
Kriegsministeriums Vorschläge zur Reorganisa tion des Film- und Theaterlebens
in Deutschland und Ă–sterreich machen sollte, kommentierte gegenĂĽber seiner
Frau Alice Lothars Ansichten so: »Wie gut[,] dass er nur nach Österreich und
in eine offenbar ›zweite‹ Posi tion geht!« 25 Dabei hatte zunächst zwischen den
beiden Männern Einverständnis geherrscht. Noch im März 1946, also vor seiner
Rückkehr nach Europa, schrieb Lothar an Zuckmayer: »Ich teile Deine Mei-
nung durchaus und denke, daß wir einander – ›Du dort, ich da‹ – harmonisch
ergänzen werden. Eigent
lich könnte es kein besseres Einvernehmen geben als
das, das zwischen uns besteht und sich nur vertiefen kann.« 26
Franz StoĂź, damaliger Direktor des Wiener BĂĽrgertheaters, erinnert sich
ebenfalls, wie Ernst Lothar mit »großer Rigorosität« gegen jene Künstler vor-
ging, »denen man, manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht, nachsagte, daß
20 Clemens- Krauss- Archiv Wien (Hg.): Der Prinzipal. Clemens Krauss, S. 17.
21 Vgl. Postkarte von Richard Strauss an Willi Schuh. Baden, 6. Dezember 1946. Zitiert in Richard
Strauss: Briefwechsel mit Willi Schuh, S. 109 f. Vgl. auch EL: Das Wunder des Ăśberlebens,
S. 352 – 356.
22 Vgl. Robert Kriechbaumer (Hg.): Ă–sterreichische Na tionalgeschichte nach 1945. Bd. 1, S. 775.
23 Vgl. dazu auch EL: Das neue Ă–sterreich, S. 6.
24 EL: Das Wunder des Ăśberlebens, S. 319.
25 Zitiert nach Gunther Nickel (Hg.): Carl Zuckmayer. Deutschlandbericht, S. 9.
26 Brief von EL an Carl Zuckmayer. New York, 28. März 1946. DLA, Nachlass Carl Zuckmayer,
HS000243798.
»Als Allgewaltiger in Wien«: Amerikanischer Kulturoffizier 247
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478