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1946 durch einen »sentimentalen Patriotismus und naiven Optimismus« zu
einer Rückkehr nach Österreich bewogen, sein Versöhnungswille gestattet es
ihm, vieles zu übersehen, unter anderem, weil er »mehr an der ›Idee Österreich‹
mit ihren ›überzeit lichen‹ Elementen und Begriffen hängt als an der politischen,
sozialen und kulturellen Gegenwart der Zweiten Republik« 206. Auch von der
Idee einer Kollektivschuld, wie sie Friedrich Torberg in seinem 1947 erschiene-
nen »imaginären Dialog« den »inneren Emigranten« vorwirft,207 ist in Lothars
Roman nichts zu finden. Dennoch kommt sein Protagonist zu der »Einsicht, daß
die Restaurierung vertrauter Systeme und Namen vorwiegend – und bewußt –
unter dem Ausschluß der Emigra
tion geschieht. Eigent
lich geht es nur um die
Rehabilitierung und Reintegrierung der Nichtemigrierten.« 208 Die Rückkehr ist
demgemäß »ein Roman der Enttäuschung« 209, dessen Hauptfigur erkennen
muss, dass »der Jubel auf dem Heldenplatz nicht durch Manipula
tion zustande
gekommen ist, sondern durchaus den Empfindungen eines großen Teils der
Bevölkerung entsprochen hat« 210.
Trotz manch positiver Rezension 211 verkaufte sich Die Rückkehr am österrei-
chischen Markt nicht besonders gut, die gedruckten 19.000 Exemplare blieben
teilweise liegen.212 Schönwiese schreibt, sich auf Rudolf Kalmar, den Chef-
redakteur des Neuen Österreichs, bzw. dessen Leserzuschriften berufend,213 dass
die Leser Stoffe, die das politische Zeitgeschehen berühren, meiden würden:
»Vor allem schreiben manche Leute, dass sie nicht gerne Romane lesen, die
sich mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit beschäftigen. Anderen
ist der Roman zu ›politisch‹, wieder andere bezeichnen ihn als tendenziös u.
206 Joseph McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung, S. 203.
207 Friedrich Torberg: Innere und äußere Emigra tion.
208 Joseph McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung, S. 205.
209 Paul Kruntorad: Emigrés und Remigrés, S. 144.
210 Christoph Heinrich Binder: Die Ereignisse der Jahre 1938 bis 1945 im Spiegel der österrei-
chischen Nachkriegsliteratur, S. 350.
211 Zum Beispiel Viktor Zifreund: Ernst Lothar: »Die Rückkehr« (Roman. Salzburg: Verlag »Das
Silberboot« 1949. 537 S.). In: Werner Mevissen (Hg.): Bücherei und Bildung. 3. Jg. Bremen:
Verein Deutscher Volksbibliothekare e. V. 1951, S. 108. – Der Verein Deutscher Volksbiblio-
thekare empfahl die Aufnahme des Buchs in die Grundliste.
212 Drei Jahre später erschien allerdings eine Sonderausgabe des Romans im Europäischen Buch-
klub (EL: Die Rückkehr. Roman. Sonderausgabe. Zürich: Europäischer Buchklub 1952. 538 S.).
213 Der Roman Die Rückkehr, dessen Schlusskapitel 1948 im Neuen Österreich erschien, wurde
ab 28. August 1949 in Fortsetzungen in der Zeitung abgedruckt. Auch Lothars Heldenplatz
wollte Kalmar zunächst für seine Zeitung erwerben (vgl. Brief von Rudolf Kalmar (Neues
Österreich) an EL. Wien, 12. April 1949. WBR, ZPH 922a). 1946 – 1950:
Rückkehr278
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478