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Dennoch ist Lothar gegenwärtig den meisten Kulturinteressierten nur als »ein
dem Theater mit glühendem Bekennerernst Verfallener« 5 ein Begriff.6 In seinen
Inszenierungen versuchte er, »ein literarisch orientiertes Theater österreichischer
Prägung« zu verwirk
lichen, und vertrat in ihnen »eine bürger lich-
humanistische
und antifaschistische Posi
tion«,7 wobei diese ethischen Zielsetzungen in keinerlei
Widerspruch zu seiner künstlerischen Absicht standen: Galt er anfangs als »des
Burgtheaters Sonntagsregisseur«, der fehlendes handwerk
liches Können mit seiner
»Theaterbesessenheit« überbrückte,8 so erwarb er sich im Laufe der Jahre »am
Regiepult den Ruf eines literarischen Sachwalters«, »dem es um die szenische
Umsetzung anspruchsvoller Dramatik, getreu den Inten
tionen des Dichters fol-
gend, zu tun war und der eine unter diesen Präliminarien in Angriff genommene
Bühnenrenaissance der Werke von Franz Grillparzer und Arthur Schnitzler für
sich verbuchen durfte«.9 Gleichzeitig ist bei Lothars Theateraktivitäten immer
auch das Ineinander bzw. die Personalunion von Schriftsteller, Theaterkritiker
und -regisseur zu berücksichtigen: »Das, was die Regiepersön lichkeit Lothars
ausmachte«, so sein ehemaliger Schwiegersohn und Burgtheaterdirektor Ernst
Haeusserman, »war der Dreiklang des Kritikers, des Schriftstellers und des
Analytikers. Er analysierte die Stücke, er kritisierte sie, und er bearbeitete sie.« 10
Einigkeit unter den Theaterkritikern und Theaterwissenschaftlern besteht
in der Auffassung, dass er »eine besondere Stärke für atmosphärisch getönte
Kammerspielaufführungen« 11 (»Meister der Klaviatur kultiviert-
gedämpfter
Nobelkonversa tion« 12) gehabt habe, was ihm – wenn man die Kritik an seinen
Textbearbeitungen außer Betracht lässt – für seine Hofmannsthal-,13 Grillparzer-
und Schnitzler-
Inszenierungen hauptsäch
lich positive Rezensionen einbrachte.
Bei seinen Theaterarbeiten lässt sich allerdings – abgesehen von den zuvor
5 Die Bühne, 123 (1968), S. 24.
6 Bis heute fehlt eine umfassende theaterwissenschaft liche Arbeit zu dem Theaterkritiker, Theater-
direktor und Regisseur Ernst Lothar, obwohl es sich hierbei um eine Forschungslücke handelt,
die zu schließen sich lohnt. Es gibt einige solcher Arbeiten in Ansätzen (siehe Kapitel Quellen-
lage), wobei man zukünftig wohl auch seine Inszenierungen in den USA, und zwar nicht nur
jene für die Österreichische Bühne, zu berücksichtigen hätte.
7 Christoph Trilse et al. (Hg.): Theaterlexikon, S. 340.
8 Wiener Sonn- und Montags- Zeitung, 18. 2. 1935.
9 Hilde Haider- Pregler: »König Ottokars Glück und Ende«, S. 203, 207.
10 Ernst Haeusserman: Das Wiener Burgtheater, S. 197.
11 Helmut Schwarz: Regie. Idee und Praxis moderner Theaterarbeit, S. 254 f.
12 Arbeiter- Zeitung, 24. 12. 1959.
13 Mit Ausnahme seiner Regie bei dem Drama Der Turm aus dem Jahr 1959.
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Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478