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42 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten
1958 war nach jahrelangen Kämpfen um die Errichtung des Forschungsrates end-
lich ein „parlamentarischer Konsens“ (Pichler/Stampfer/Hofer 2007, 108) her-
gestellt – eine einmalige Gelegenheit, dieses wissenschaftspolitische Instrument
zu institutionalisieren. Doch im Wissenschaftsbetrieb herrschte eigentümliches
Schweigen. Nur hinter verschlossenen Türen wurde der Gesetzesentwurf disku-
tiert. So traf sich das Professorenkollegium der rechts- und staatswissenschaftli-
chen Fakultät an der Universität Wien am 19. März 1958 um 11 Uhr eigens zu
einer Besprechung. Die Kritik war fundamental: Im vorliegenden Entwurf sei
erstens der „Aufgabenkreis […] zu verschwommen“, zweitens werde die „private
Forschung […] nicht in Erwägung gezogen“, drittens sei aber auch „das Eindrin-
gen politischer Einflüsse“ zu befürchten. Nach Ansicht des einen Professors, des
Kirchenrechtlers Willibald M. Plöchl, war „die Frage des Forschungsrates zurück-
zustellen, bis die Steuerfreiheit der Zuwendungen geklärt“ wäre; ein anderer, Adolf
Merkl, kritisierte, dass die Vorlage „eine sehr komplizierte Lösung darstelle“; ein
dritter, der Strafrechtler Roland Grassberger, wies überhaupt darauf hin, „daß es
Aufgabe der Unterrichtsverwaltung sei, Mittel für die Forschung zur Verfügung zu
stellen“, und schlussfolgerte, „daher sei die Instanz des Forschungsrates unnötig“.1
Fundamentalopposition der ProfessorInnen, den höchstrangigen und einfluss-
reichen VertreterInnen des Wissenschaftsbetriebs, trug in vielen Belangen wesent-
lich zum funktionalen Stillstand in der Wissenschaftspolitik bei.2 Die eigene Hege-
monialstellung abzusichern war im Zweifelsfall wichtiger als die Bereitstellung
zusätzlicher Ressourcen. Die Errichtung einer intermediären Organisation, die
staatliche Gelder an den Wissenschaftsbetrieb zum Zwecke der Forschung vertei-
len sollte, scheiterte nicht nur aufgrund der politischen Pattsituation zwischen den
beiden Koalitionsparteien. Sie war auch ein Versagen der dominanten Kräfte des
wissenschaftlichen Feldes. Das bedarf näherer Betrachtung.
Hochschulautonomie als Wille und Vorstellung
Organisation und Regulation eines Wissenschaftsbetriebs werden stark von seiner
Autonomie beeinflusst. Unter Autonomie ist, kurz gefasst, die Befugnis zu verste-
hen, Entscheidungen nach wissenschaftsimmanenten Gesichtspunkten und ohne
externe Einflussnahme zu fällen. Der Autonomiebegriff besitzt freilich immer
auch eine politisch-ideologische Komponente. Ausverhandelt wird unter dem
Schlagwort der Autonomie nicht nur, welche Befugnisse in den Bereich autonomer
Entscheidungen fallen sollen, sondern auch, welche Akteure des Wissenschafts-
betriebs zu Trägern der Autonomie werden (mit anderen Worten: wer diese auto-
nomen Entscheidungen treffen darf).
In der Zweiten Republik können wir, basierend auf der im vorangegangenen
Kapitel festgestellten institutionellen Vorherrschaft der Hochschulen, ein hege-
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117